Tessy und das Geheimnnis des Sexclubs
und …“
„Ich weiß, Herr Kossner …“
Tessy strich ihr Haar zurück und überlegte fieberhaft, wie sie sich verhalten sollte. Die Informationen aus dem Netbook waren nicht für Rheas Vater beziehungsweise die Eltern bestimmt – zumindest sollten sie ihrer Meinung nach nicht als Erste davon erfahren. Andererseits bezahlten die beiden sie dafür, dass sie nach ihrer Tochter suchte und hatten ein Recht darauf zu erfahren, was sie bislang herausgefunden hatte. Sie atmete tief durch. Was für ein bescheuerter Konflikt!
„Arbeitet Ihre Tochter eigentlich neben der Uni?“, fuhr sie schließlich fort.
„Das hat sie nicht nötig“, erwiderte Kossner sofort. „Aber sie betreut hin und wieder jüngere Semester und leitet Lehrgänge und Workshops. Das macht ihr großen Spaß und wird auch gut bezahlt.“
Und man hat eine gute Ausrede, wenn man nicht erreichbar sein möchte und Sexdienste verkauft, fügte Tessy in Gedanken hinzu.
„Was haben Sie denn jetzt noch so vor?“, schob Rheas Vater nach. Er klang eine dezente Spur unzufrieden.
„Ich lasse einige Leute überprüfen, die mit Ihrer Tochter gesehen wurden“, behauptete Tessy.
„Was für Leute?“
„Dazu kann ich im Moment nichts sagen. Lassen Sie mir bitte etwas Zeit, Herr Kossner.“
„Natürlich, aber Sie werden doch verstehen, dass ich in großer Sorge bin und natürlich …“
„Ich bin erst zwei Tage mit dem Fall beschäftigt“, fiel sie ihm ins Wort. „Sobald ich spruchreife Ergebnisse habe, rufe ich Sie an.“
„Na schön …“
„Danke, Herr Kossner. Bitte grüßen Sie Ihre Frau.“
Die Detektivin legte das Handy beiseite und ging erstmal unter die Dusche. Bei einem kräftigen Frühstück entschied sie sich, nicht untätig auf Dirks Rückruf zu warten. Warten war ohnehin nicht ihre Stärke.
„Herr Mihl hat gleich eine wichtige Besprechung“, erwiderte die rothaarige Empfangssekretärin, als Tessy eine knappe Stunde später in dem pharmazeutischen Unternehmen um einen Termin bei Paul bat. Die schnippische Stimme kannte sie bereits vom Telefon.
„Ja, ich weiß. Die wichtige Besprechung hat er mit mir“, gab die Detektivin ohne mit der Wimper zu zucken zurück.
„Aber …“
„Wo finde ich sein Büro?“
„Ich muss Sie erst anmelden …“
„Tun Sie das – mein Name ist Tessy Ritter. Und Herr Mihl kennt mich bereits.“
„Oh.“ Das klang bedauernd.
Eine Minute später fuhr Tessy mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Paul stand abwartend in der offenen Bürotür. Er sah ihr charmant lächelnd entgegen und bat sie herein. „Sie sind ziemlich forsch.“
„So ist es. Manchmal kommt man damit sehr weit.“
„Aber nicht immer, oder?“ Paul trat mit geschmeidigen Schritten hinter seinen Schreibtisch und bedeutete ihr mit galanter Geste, in einem Stuhl davor Platz zu nehmen.
„Nein, nicht immer“, gab sie zu und musterte ihn eingehend.
„Kaffee?“
„Nein, danke.“
Paul sah genauso gut und attraktiv aus wie zwei Tage zuvor, aber in seinem Büro wirkte er deutlich geschäftsmäßiger und distanzierter. Das ist auch gut so, dachte sie. So lange der Knabe seinen Charme versprüht und mich unruhig macht, weil ich mir wünsche, dass er mir an die Wäsche geht, dürfte mein Blick mehr als getrübt sein.
„Haben Sie Neuigkeiten von Rhea?“, fragte er mit ernster Miene.
„Nicht direkt.“
Er runzelte die Stirn. „Was heißt das?“
Tessy beugte sich vor. „Sagen Sie mal, Herr Mihl, haben Sie in letzter Zeit manchmal den Eindruck gehabt, dass Rhea Ihnen etwas verschweigt?“, fragte sie in nachdenklichem Tonfall.
Paul zögerte kurz, schüttelte dann aber umso energischer den Kopf. „Aber nein! Ich sagte Ihnen schon, dass bei uns alles in Ordnung ist. Wie kommen Sie darauf?“
„Ich habe begründeten Anlass zu der Vermutung, dass Ihre Freundin durchaus ihre eigenen Wege gegangen ist, und zwar im Verborgenen. Aber vielleicht haben Sie ja doch zufällig etwas aufgeschnappt oder sind hellhörig geworden.“
Er warf ihren einen scharfen Blick zu und schlug ein Bein über das andere. „Nun mal halblang. Woher haben Sie diesen Mist denn?“ Das klang ziemlich empört.
„Ich bin Privatdetektivin, Herr Mihl. Es ist mein Job nachzuforschen und sehr genau hinzusehen“, erläuterte Tessy betont sachlich. „Dabei entdecke ich manchmal Zusammenhänge, die sich nicht jedem erschließen, schon gar nicht auf Anhieb. Oder mir kommen Fragen in den Sinn, die sonst niemand stellt, weil sie unwichtig scheinen.
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