Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1
dem zerzausten Haarschopf sah er für einen Moment wie ein kleiner Junge aus. Charlotte atmete tief durch. Später schrieb sie Paula und Tessy eine SMS und löschte sie anschließend aus dem Speicher.
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Tessy nickte zufrieden und legte ihr Handy beiseite. Wenn alles gut ging, würde sie den Fall am Wochenende abschließen können. Sie stellte es sich nicht allzu schwer vor, gemeinsam mit Charlotte in Büro und Werkstatt nach eindeutigen Spuren zu suchen und Beweise zu sichern, anhand derer die Polizei einschreiten konnte.
Dirk Hanter schien das anders zu sehen.
„Du bist eine Traumtänzerin“, bemerkte er, als sie am nächsten Tag telefonierten. „Wenn es sich tatsächlich um die Profis handelt, die du in ihnen siehst, werdet ihr gar nichts finden! Außerdem halte ich es für ziemlich gefährlich, da einfach einzusteigen …“
„Ich steige da nicht ein! Charlotte wohnt dort und bittet mich herein! Ansonsten wäre es eine prima Idee, wenn du dich im Hintergrund bereithalten würdest.“
„Du weißt doch genau, dass ich aufgrund von Spekulationen und Vermutungen keine Polizeimaßnahme in Gang setzen oder deine Schnüffelaktion auch nur tolerieren kann!“, hielt er dagegen.
„Ja“, seufzte Tessy. „Ich weiß. Darüber sprachen wir schon. Aber wenn die Typen nach Süddeutschland fahren und in einem antiken Schreibtisch tatsächlich ein paar Pfund oder sogar Kilo Heroin transportieren, würden sich deine Kollegen da unten über einen heißen Tipp ziemlich freuen, oder? Und es schadet deiner Karriere sicherlich auch nicht, wenn ihr hier in Berlin einen Drogenring ausheben könntet.“
Hanter lachte, aber sie hörte seiner Stimme an, dass er durchaus nachdenklich geworden war. „Okay – sag mir Bescheid, sobald du genauer weißt, wann die Herren ausfliegen und du dich in dem Laden umsiehst.“
„Mach ich.“
Charlotte meldete sich am darauf folgenden Tag.
„Ich erreiche Paula nicht“, sagte sie mit gedämpfter Stimme.
Das macht nichts, dachte Tessy. Ich bin hier die Privatdetektivin. Außerdem brenne ich darauf, dich näher kennen zu lernen. Sie räusperte sich.
„Gibt es Neuigkeiten?“, fragte sie.
„Ja. Philipp und Simon starten gemeinsam am Samstag in aller Herrgottsfrühe beziehungsweise bereits Freitagnacht“, berichtete Charlotte leise. „Sie fahren mit zwei Fahrzeugen, dem Transporter und dem BMW. Das machen sie meistens so bei langen Touren. Rückkehr ist nicht vor Sonntag geplant, weil sie noch zu einer Auktion wollen.“
„Was ist mit dem Tischler?“
„Der hat an diesem Wochenende frei. Ich kann jedoch nicht ausschließen, dass er vielleicht den Job hat, ein Auge auf mich zu werfen“, gab Charlotte zu bedenken.
Tessy nickte nachdenklich. „Notfalls lenken wir ihn ab, indem du einen Spaziergang machst, und ich sehe mich allein in der Werkstatt um, während Paula Schmiere steht. Das entscheiden wir spontan.“
„Gut.“
„In jedem Fall sollten wir so früh wie möglich loslegen – Samstag Mittag?“, schlug Tessy vor.
„Ich weiß nicht …“
„Charlotte? Es wird alles gut.“
Ein leises Lachen drang an Tessys Ohr. Ein zärtliches Lachen.
„Hast du dir eigentlich schon überlegt, wie es weitergeht?“, fragte Tessy, bevor Charlotte auflegen konnte.
„Wie meinst du das?“
„Nun – wenn wir Samstag fündig werden und die Polizei zuschlägt …“
„Darüber will ich noch nicht nachdenken“, meinte Charlotte rasch.
„Solltest du aber.“
„Mal sehen.“ Damit legte sie auf.
Tessy atmete tief durch. Ein sanftes Kribbeln begann ihren Unterleib zu wärmen. Sei nicht albern, schimpfte sie mit sich selbst. Eine Hetera vernaschen war eine Sache, sich in sie zu verlieben eine ganz andere – und ziemlich dumm dazu.
Am Samstag herrschte strahlender Sonnenschein. Tessy holte Paula gegen Mittag ab und parkte ihren Wagen gegenüber vom Antiquitätengeschäft. Paula würde im Auto sitzen bleiben, um Wache zu schieben, und Dirk war im Dienst jederzeit erreichbar. Vom Tischler war weit und breit nichts zu sehen gewesen, wie Charlotte am Morgen festgestellt hatte, als sie völlig unbehelligt Einkäufe erledigen konnte.
„Es kann also gar nichts schief gehen“, erklärte Tessy Paula munter, aber eine gewisse Aufregung konnte sie nicht abstreiten. „Du schickst eine SMS, sobald hier irgendwelche merkwürdigen Typen auftauchen, und ich melde mich, sobald ich Genaueres weiß.“
„Tu das. Und seid vorsichtig.“ Paula gab sich Mühe, gelassen zu
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