Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1
nachkamen.
„Also, der Gute war seit der Installation unserer kleinen Beobachtungsstation ungefähr eine Stunde online – allerdings waren, zumindest für mich, keine aufregenden Geschichten dabei: Er hat sich Wirtschaftsinfos besorgt, Messetermine abgefragt und einige Banksachen erledigt. Ob was Auffälliges dabei ist, kann ich nicht beurteilen.“
„Scheint ‘ne Menge Knete zu haben, der Gute“, murmelte Tessy und pfiff anerkennend durch die Zähne, während sie das Konto begutachtete. „Und weiter? Keine E-Mails?“
„Doch – dazu komme ich jetzt“, antwortete Karola und öffnete eine weitere Datei. „Er hat auf die Mail von einem gewissen Fritz Krüger geantwortet, der vor einigen Tagen nach der zugesagten Möbellieferung gefragt hat.“
„Ein Stammkunde aus München“, ergänzte Paula eilig. „Den Namen kenne ich noch von einigen Rechnungen und Reisekostenbelegen.“
Tessy hob die Augenbrauen. Na endlich, dachte sie und beugte sich über Karolas Schulter.
„Klingt nicht gerade aufregend, aber vielleicht wisst ihr ja mehr damit anzufangen“, kommentierte Karola.
Die Nachricht war kurz gehalten: ‚ Schreibtisch fast bereit. 2 neue Schubladen + zusätzliche Trennwand eingezogen. Bar wie besprochen, Lieferung persönlich nächstes WE.’
Das klingt enttäuschend banal, dachte Tessy und sah Paula an. „Hört sich nicht gerade nach dem großen Verbrechen an, andererseits wissen wir jetzt, dass Philipp Sommer am kommenden Wochenende mit einem Fritz Krüger in München verabredet ist, der auf seinen aufgearbeiteten Schreibtisch wartet – was immer darunter zu verstehen sein mag.“ Sie zog eine Augenbraue hoch.
„Stimmt“, nickte Paula. „Vielleicht kann Charlotte die Chance nutzen.“
12
Sie war eine gute Stunde einfach durch die Gegend gefahren. Die Unterredung mit den beiden Frauen ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie war erschüttert, wie schnell sie bereit war, den beiden Glauben zu schenken. Wie wenig sie an ihrem Verdacht und ihren Schlussfolgerungen zweifelte – aus einem einfachen Grund: Es erklärte so vieles. Und sie musste sich nicht nur entscheiden, auf welcher Seite sie stand – das hatte sie längst –, sondern auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen.
Philipp versuchte dreimal, sie über ihr Handy zu erreichen. Sie nahm das Gespräch nicht an. Seine SMS las sie erst gar nicht. Die Mobilbox hörte sie nicht ab. Sie wusste, dass sie sich Ärger einhandelte, denn Philipp erwartete sie längst. Wahrscheinlich hatte Simon ihm berichtet, dass sie in auffälliger Weise bemüht gewesen war, ihn abzuhängen.
Als Charlotte zu Hause eintraf, wurde die Tür von innen geöffnet, bevor sie den Schlüssel herumdrehen konnte. Philipp stand vor ihr. Groß, hager. Er lächelte. Sie erwiderte das Lächeln und wunderte sich nur einen Moment darüber. Er fasste nach ihrem Arm, zog sie ins Haus. Sein Griff war fest. Ein wenig zu fest. Sie blickte ihn fragend an. Die Zeit verging auf einmal langsamer.
„Wo warst du?“
„Ein bisschen unterwegs. Menschen anschauen. Im Museum.“ Das stimmte alles.
„Magst du einen Kaffee?“, fragte er. „Ich habe gerade frischen gekocht.“
Sie gingen in die Küche. Er schenkte ihr Kaffee ein. Charlotte setzte sich. Das Herz schlug kraftvoll an ihre Rippen.
„Hattest du einen guten Tag?“, fragte sie und trank einen Schluck.
„Natürlich. Warum gehst du nicht ans Handy, wenn ich dich anrufe?“
„Ich hatte es im Museum abgestellt.“
„Aha. Und warum hast du später nicht zurückgerufen?“
Ihre Fingerspitzen zitterten. Sie schluckte. „Ich war schon fast zu Hause, als ich bemerkte, dass du mich erreichen wolltest.“
Er starrte sie an. „Magst du noch Kaffee?“
„Nein, danke.“
„Dann lass uns nach nebenan gehen.“
Charlotte nickte und stand auf. Als sie die Tür erreicht hatte, war er plötzlich ganz nah hinter ihr und packte mit einer Hand ihren Nacken, die andere schlang er eng um ihre Taille.
Sie erschrak heftig und unterdrückte einen Schmerzenslaut. Er sagte nichts, schob sie in den Flur, und sie spürte seine Erektion. Im Schlafzimmer stieß er sie aufs Bett und öffnete seine Hose. Die Feuchtigkeit zwischen ihren Schenkeln entsetzte sie. Charlotte schloss die Augen, als die anschwellende Furcht, die sein starrer Blick auslöste, sich wie eine zweite einschmeichelnde Haut um ihren ganzen Körper legte. Sie sehnte sich nach einem Wort von ihm, sei es ein schmutziges, aber er schwieg, kletterte zu ihr aufs Bett und
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