Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1
zerrte ihr die Sachen vom Leib. Sie öffnete die Augen. Und erschrak zutiefst über die grenzenlose Wut in seinem Blick. Der erste Schlag war leicht. Ein fast spielerischer Poklatscher. Der zweite schärfer. Der vierte fühlte sich an wie ein Peitschenhieb. Sie versuchte, ihn abzuwehren, aber er packte mit hartem Griff zu.
„Hör auf, Philipp! Du tust mir weh – bist du verrückt geworden?“
Sie war glücklich, die Worte endlich ausgesprochen zu haben, aber er reagierte überhaupt nicht, sondern verdrehte ihr die Arme auf den Rücken, warf sie herum und drängte sich von hinten zwischen ihre Beine. Zum ersten Mal ohne die kleinste Andeutung einer wenn auch derben Verspieltheit. Sein Schwanz drang heftig in sie ein. Jeder Stoß war ein brutaler Schlag in den Bauch hinein. Und er nahm sich Zeit, ihr Schmerz zu bereiten. Richtigen Schmerz.
Charlotte fror. Sie versuchte zu ergründen, ob sie im Verlauf der letzten Minuten geschrieen hatte und konnte sich nicht erinnern. Die Stille, in der nur das leise Quietschen des Bettes und sein angestrengtes Stöhnen zu hören war, legte sich schwer auf ihre Augen. Es tat immer noch weh. Und die kleine, übermütige Angst, die sonst immer mit ihrem sprühenden Charme Charlottes Erregung forciert hatte, war auf einmal groß und wuchtig und niederdrückend. Sie wusste, dass ab jetzt nichts mehr so sein würde wie vorher. Das Spiel war zu Ende. Endgültig.
Eine kleine Ewigkeit später stand Philipp auf und nahm sich frische Wäsche und ein blütenweißes Handtuch aus der Kommode.
„Komm niemals auf die Idee, mich für dumm zu verkaufen, mein Herz. Oder mich zu verlassen. Ich finde dich überall.“ Er lächelte charmant. „Wir sind doch ein ganz reizendes Paar, was meinst du?“
Charlotte antwortete nicht. Sie blieb einfach liegen und atmete leise.
Philipp tat am nächsten Morgen, als sei nichts geschehen, und sie hatte das Gefühl, unter einer Glasglocke zu sitzen. Als Tessy im Büro anrief, um sie über die Mail von Fritz Krüger zu informieren, war er gerade in der Werkstatt.
„Alles klar“, sagte sie leise.
„Bist du okay?“, fragte Tessy.
„Nein.“
„Wenn du Hilfe brauchst …“
„Ich weiß.“ Damit legte Charlotte auf. Die Aussicht, das Wochenende für sich zu haben, erfüllte sie mit tiefer Befriedigung. Sie schwor sich, die Zeit zu nutzen. Sie nahm ihr Handy und überprüfte, ob sie die Nummern von Paula und Tessy aus allen Speichern gelöscht hatte. Sie verfügte glücklicherweise über ein sehr gutes Zahlengedächtnis, notierte sich die Ziffern aber zur Sicherheit auf der Visitenkarte eines Geschäfts für Mal- und Künstlerbedarf.
Während sie den üblichen Bürokram erledigte, resümierte sie, was sie über Philipps Schlüssel wusste: Er allein besaß einen Generalschlüssel, sie hatte lediglich einen Haus- und Wohnungsschlüssel. Nicht mal das kleine Büro durfte sie selbständig betreten. Bin ich verrückt gewesen, mich auf diesen Mann einzulassen, der aller Wahrscheinlichkeit nach ein Schwerverbrecher ist? Eindeutig ja. Sie atmete tief durch. Sie dachte an Robin – an seine laute Musik und sein zerknirschtes Lächeln, wenn sie sich beschwert hatte. Das Leben war an ihm vorbei gegangen. Ich habe Angst, dachte sie. Richtige Angst. Aber es hilft alles nichts: Ich muss an den Schlüssel kommen. Nur so haben wir eine Chance, Beweise zu sichern.
Wo bewahrte Philipp seinen Ersatzschlüssel auf? Wo war der sicherste Ort dafür? Charlotte wusste, dass sich in Philipps Schreibtisch ein kleiner Stahlschrank befand, in dem er Bargeld und wichtige Papiere aufbewahrte. Daraus zumindest hatte er nie ein Geheimnis gemacht – warum auch? Er war felsenfest davon überzeugt, dass sie ihn niemals ohne sein Einverständnis öffnen könnte. Sie war sicher, dass sich dort auch die Ersatzschlüssel befanden. Plötzlich spürte sie, dass ihre Lebensgeister erwachten. Und ihr Kampfgeist.
Am Nachmittag erledigte sie Einkäufe. Nachdem sie hundertprozentig sicher war, dass Simon ihr nicht gefolgt war, ging sie in die Apotheke und kaufte Kopfschmerztabletten und ein leichtes rezeptfreies Schlafmittel. Kaum stand sie wieder auf der Straße, rief Philipp an. „Wo bist du?“
„Auf dem Heimweg.“
„Lass uns nachher zusammen essen“, sagte er in fast herzlichem Ton.
„Ja, gerne“, erwiderte sie und biss sich auf die Unterlippe. Du Schwein.
„Ich bringe von unterwegs was mit.“
„Gut. Bis später.“
Philipp war ein passabler Koch, wenn er sich Zeit
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