Test: Phantastische Erzahlungen
Wortungetüme auf und lernte sie auswendig. Von nun an lebte er in der Überzeugung, daß er das Examen bestehen würde, und das bestätigte sich denn auch. Der Professor erbebte, als er den Stil der Antworten vernahm, er hob die buschigen Brauen und lauschte den Ausführungen des Prüf ings wie dem Gesang einer Nach tigall. Die f nsteren Wolken in seinem Gesicht lösten sich auf, er wirkte jünger als sonst, ihm war, als höre er seine eigene Stimme. Pirx, der diese Wandlung bemerkte, ging nun, bef ügelt von seiner eigenen Unverschämtheit, aufs Ganze. Er hatte Erfolg. Merynos belohnte ihn mit einer großen runden Zwei und bedauerte sogar, ihm keine Eins geben zu können, weil er, Pirx, bei der letzten Frage völlig versagt hatte. Bei der Beantwortung dieser Frage war mit der Terminologie des Professors nicht viel anzufangen – es ging um die genaue Kenntnis eines Modells.
Wie dem auch sei, Pirx war es gelungen, Merynos zu bändigen – er hatte ihn einfach bei den Hörnern gepackt. Viel mehr Angst hatte er vor dem »Irrsinnigen Bad«, dem letzten Prüfungstest vor dem Diplomexamen. Gegen das »Irrsinnige Bad« war kein Kraut gewachsen. Pirx sah keinen anderen Weg, als zu Albert zu gehen. Albert fungierte nur nach außen hin als Pförtner am Institut für Astropsychologie, in Wirklichkeit war er die rechte Hand des Dozenten, und sein Wort galt mehr als die Meinungen aller Assistenten. Er hatte schon dem greisen Professor Balloe als Faktotum gedient, der vor einem Jahr zur Freude der Studenten und zum Leidwesen des Pförtners in Pension gegangen war. »Niemand hat mich so gut verstanden wie der Professor emeritus«, pf egte er zu sagen.
Das »Irrsinnige Bad« verlief ungefähr so: Albert führte den Kandidaten in einen kleinen Raum im Souterrain, fertigte eine Paraf nmaske seines Gesichts an und schob zwei Metallröhrchen in das Negativ der Nase. Das war alles – der Kandidat hatte nun nichts weiter zu tun, als in die erste Etage zu gehen, wo das Bad auf ihn wartete, das heißt, ein Bad war es natürlich nicht, die Studenten nannten die Dinge ja nie beim Namen. Der Kandidat oder der »Patient«, wie es im studentischen Jargon hieß, betrat ein geräumiges Zimmer, entkleidete sich und stieg in ein Wasserbassin. Das Wasser wurde erwärmt, und zwar so lange, bis der rücklings im Bassin liegende Prüf ing die Hand hob. Wann das geschah, war unterschiedlich – für die einen hörte das Wasser bei neunundzwanzig Grad auf zu existieren, für die anderen erst bei zweiunddreißig. Sobald das Zeichen kam, wurde die Erwärmung des Wassers gestoppt, und einer der Assistenten setzte dem Kandidaten die Paraf nmaske auf. Dann wurde dem Wasser Salz beigemengt – gewöhnliches Kochsalz, kein Zyankali, wie die Absolventen des »Irrsinnigen Bades« allen Ernstes behaupteten. Man schüttete so lange Salz hinein, bis der »Patient« oder der »Ertrunkene« sich vom Boden löste und unter der Wasserf äche schwamm, ohne aufzutauchen. Das einzige, was aus dem Bassin hervorlugte, waren die Metallröhrchen – der Student konnte also frei atmen. Das war im Grunde alles. Das Ganze nannten die Wissenschaf ler »Behinderung der afferenten Stimuli«. Der »Ertrunkene« schwamm, die Arme über der Brust gekreuzt, im Bassin. Schon nach kurzer Zeit spürte er nicht mehr, daß er im Wasser war. Er sah nichts, hörte nichts, hatte weder Geruchs- noch Tastsinn – er glich einer ägyptischen Mumie, und die Frage war nur, wie lange er das aushielt. Wie lange?
Eigentlich schien an dem Test nichts Besonderes zu sein, aber Pirx wußte, daß der Mensch in diesem Zustand die merkwürdigsten Dinge erlebte. Es hatte nicht viel Sinn, in den Lehrbüchern über experimentelle Psychologie zu blättern, denn die Erlebnisse der »Ertrunkenen« waren individuell sehr verschieden. Ein Drittel der Kandidaten brachte es übrigens noch nicht einmal auf drei Stunden, und nur wenige erreichten fünf oder sechs. Ausdauer war jedem zu empfehlen, denn den Besten winkten die interessantesten Ferienpraktika. Wer den ersten Platz hatte, erhielt ein Extrapraktikum, das mit den üblichen, meistens ein wenig langweiligen Aufenthalten auf Satellitenstationen nicht zu vergleichen war. Man wußte nie, wer sich als »Harter« erweisen würde, das »Bad« war eine schwere Belastungprobe für die Konsistenz der Persönlichkeit.
Pirx überstand den Anfang ziemlich glatt, wenn man davon absah, daß er sein Gesicht völlig unnötig ins Wasser tauchte, noch bevor
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