Test: Phantastische Erzahlungen
das Knirschen leiser, bis es ganz verhallte. Noch schlugen einige Steine klirrend gegen den Stahl, ein loser Felsblock versank unter dem Gewicht des Raketenfußes, aber dann kauerte die Kabine langsam nieder und blieb in einem Neigungswinkel von zehn Grad stehen.
Der Pilot kroch etwas unsicher aus dem Schacht und entschuldigte sich. Das Bodenprof l habe sich verändert – of ensichtlich sei über der nördlichen Rinne eine Lawine niedergegangen. Er war auf dem Geröll gelandet, dicht an der Wand, denn er wollte ihnen einen längeren Fußweg ersparen.
Dr. Pnin kritisierte diese Methode, den Weg zu verkürzen. Ein Lawinengelände sei schließlich kein Kosmodrom, und wenn es nicht unbedingt erforderlich sei, dürfe man nichts riskieren. Nach diesem kurzen Disput gab der Pilot ihnen den Weg frei. Sie passierten die Schleuse und stiegen über die Leiter auf das Geröll hinunter. Der Pilot blieb in der Rakete, er wollte dort auf Pnin warten. Pirx und Langner folgten dem hochgewachsenen Wissenschaf ler.
Pirx hatte bisher immer geglaubt, den Mond zu kennen, aber nun mußte er seine Ansicht korrigieren. Die Umgebung der Ziolkowski-Station war eine Promenade im Vergleich zu dem Ort, an dem er sich jetzt befand. Die Rakete stand schräg auf den maximal gespreizten Füßen, die sich tief in die Steinlawine gebohrt hatten, sie war etwa dreihundert Meter neben dem riesigen Schatten niedergegangen, den der Hauptwall der Mendelejew-Station warf. Der am schwarzen Himmel entf ammte Sonnenrachen berührte fast den Kamm, der an dieser Stelle zu schmelzen schien – aber das beruhte auf einer Täuschung. Keine Täuschung dagegen waren die senkrechten Wände, die aus der Dunkelheit aufragten. Zu der von tiefen Gräben durchfurchten Ebene, die den Boden des Kraters bildete, liefen von den Bergrinnen grellweiße Kegel herab – es waren Aufschüttungen. Die Stellen der frischen Einstürze konnte man an der Trübung der Felszeichnung erkennen. Diese Trübung wurde durch den Staub hervorgerufen, der sich erst nach Stunden setzte. Der Boden des Kraters, der aus geborstener Lava bestand, war ebenfalls von einer hellen Staubschicht bedeckt; der ganze Mond war mit mikroskopisch kleinen Meteorteilchen gepudert – toter Regen, der seit Millionen von Jahren auf ihn herabf el. Der sogenannte Steg war nichts anderes als eine Anhäufung von Quadern und Felssplittern, ebenso wild wie die ganze Umgebung, und er verdankte seine Bezeichnung den einzementierten Aluminiumstangen, die oben so etwas wie Rubinkugeln trugen. Zu beiden Seiten dieses in den Geröllgang führenden Steges standen riesige Wände, zur Hälf e vom Licht erfaßt, zur Hälf e schwarz wie die Nacht der Milchstraße – Wände, die weder in den Alpen noch im Himalaja ihresgleichen hatten.
Die geringe Mondschwerkraf erlaubte es dem Felsbaustof , gespenstisch anmutende Formen anzunehmen, und diese Formen überdauerten Jahrhunderte. Das menschliche Auge wurde immer wieder irre, selbst wenn es den Anblick der Abgründe gewohnt war. Die anderen Sinne potenzierten noch den Eindruck des Unwirklichen, des Unmöglichen dieser Landschaf : Weiße Pumexquader, die die Sohle berührten, f ogen wie Seifenblasen in die Höhe, und selbst der schwerste Basaltsplitter, der auf das Geröll geworfen wurde, f og unheimlich langsam und lange, um schließlich lautlos niederzusinken. Es war wie im Traum.
Einige hundert Schritt höher änderte sich die Farbe des Felsens. Flüsse von rosafarbenem Porphyr umschlossen die Bergrinne, der sie zustrebten. Felsen, die sich stellenweise mehrere Stockwerke hoch türmten und nur mit ihren rasiermesserscharfen Rändern zusammenhingen, schienen lediglich auf eine Berührung zu warten, um als unauf altsame Steinlawine niederzusausen.
Pnin führte sie durch diesen Wald der in Stein erstarrten Explosionen. Er ging nicht rasch, aber mit untrüglicher Sicherheit. Manchmal schwankte die Platte, auf die er seinen gewaltigen Skaphanderstiefel setzte, und wenn das geschah, hielt er augenblicklich inne. Nach einer Weile setzte er seinen Weg fort, oder er wich der Stelle aus. Merkmale, die nur ihm bekannt waren, zeigten ihm, ob der Felsen das Gewicht des Menschen aushalten würde oder nicht. Ir gendwelche Geräusche, die den Bergsteiger warnten, gab es nicht. Einer der Basaltblöcke, an denen sie vorbeigingen, rollte ohne die geringste Ursache einen Hang hinunter, das heißt, er f og ganz langsam, schlug ab und zu auf und riß dabei andere Steine mit sich
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