Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)
alles«, denkt sie. Aber sie reißt sich zusammen. »Nutz’ das nicht aus und verarsch’ den armen Kerl nicht weiter. Nur wenn er wirklich wieder absolute Grütze fährt, greife ich wieder ein.«
Cornelia versucht wieder zu schlafen, doch dann klingelt Johannes’ Handy. Es ist seine Mutter. Sie fragt, wann er endlich in Hannover ist und was er zum Abendessen will. Unglaublich. Doch dann bekommt sie einen Schrecken. Johannes ist nicht multitaskingfähig, die Straße interessiert ihn nicht mehr. Der Wagen macht einen großen Schlenker nach links. Beinahe ist er schon auf der Überholspur. Cornelia merkt, dass dort ein schnelles Auto kommt. Scheiße, jetzt kracht es gleich! Und Johannes? Er reagiert nicht, sondern quatscht munter mit seiner Mutter. Cornelia greift ins Lenkrad und bringt den Ford wieder zurück auf die rechte Spur. Puh, das war knapp.
›Oh Gott, das wollte ich nicht.‹ Noch nie hat sie jemandem ins Lenkrad gegriffen. Das ist ein absolutes No-Go. Aber Johannes fährt einfach so mies …! Trotzdem schämt sie sich. Sicher schmeißt er sie gleich raus. Das wäre saublöd, aber immerhin ist sie durch ihre Aktion noch am Leben. Doch Johannes macht gar nichts. Er verabschiedet sich von seiner Mutter und legt auf.
Wahnsinn. Cornelia greift ihm ins Lenkrad – und Johannes stört das nicht mal. Was ist das bloß für ein Typ? Cornelia ist sich endgültig sicher: Bei dem kann sie sich alles erlauben. Nur, das will sie gar nicht. Sie möchte nur schnell in Hannover ankommen und nichts wie raus aus dem Auto. Schon in der Stadt sagt Johannes dann: »Ich hatte noch nie eine so schöne Zeit mit einer Mitfahrerin.« Das kann jetzt doch nicht sein Ernst sein. »Hast du Lust, mal mit mir ins Kino gehen?« Nein, bitte das nicht auch noch. Was muss sie denn noch alles tun, damit sie es sich bei ihm verscherzt? »Äh, ne du, lass’ mal. Ich hab einen Freund.« Das ist ausnahmsweise mal kein Märchen, sondern die Wahrheit.
Betroffen schweigt Johannes. Er hatte sich allen Ernstes Hoffnungen gemacht. Dann sagt er leise: »Schade, du erinnerst mich nämlich an meine Mutter!« Entgeistert starrt Cornelia ihn an. Fieberhaft überlegt sie, ob sie Johannes sagen soll, was sie jetzt denkt, beschließt aber dann zu schweigen, denn ihre Gedanken würden ihn definitiv verletzen: ›Junge, das ist genau der Grund, warum du kein Glück bei Frauen hast. Denn die merken nämlich sofort, dass du ein Muttersöhnchen bist.‹
Nicht schlecht, denkt sich Valerie, als Daniel aus dem dunkelblauen Kombi steigt. Er hat dunkle, schulterlange Haare, seine Augen funkeln pechschwarz. Valerie schätzt ihn auf Anfang 30. Seine Gesichtsfarbe verrät, dass der letzte Strandurlaub noch nicht lange her ist. Oder der letzte Solariumbesuch. Das enge weiße Hemd lässt seinen durchtrainierten Oberkörper erahnen. »Ich bin Daniel«, sagt er und reicht Valerie die Hand. Dann lächelt er sie an und fragt: »Kann ich dir die Tasche abnehmen?« Valerie nickt und lächelt zurück. Keine Frage, Daniel ist attraktiv und sympathisch.
Ihr Fahrer stellt Valeries Reisetasche in den Kofferraum. Dann setzt er sich ans Steuer, die Endzwanzigerin mit dem blonden Pferdeschwanz neben ihn. »Was machst du so, wenn du grade nicht nach Hamburg fährst?«, fragt Daniel – die typische Einstiegsfrage, wenn sich zwei Menschen bei einer Mitfahrgelegenheit treffen und miteinander reden wollen. »Ich bin Erzieherin in einem Kindergarten«, antwortet Valerie und erzählt von ihrem Job im Frankfurter Westend.
Schon oft ist Valerie mit fremden Leuten nach Hamburg gefahren, solche Gespräche sind Routine. Jetzt ist sie mit der beruflichen Rückfrage an der Reihe. »Und du, was treibst du so?« Daniel wartet einen Moment, grinst und sagt dann trocken. »Ich arbeite bei einem einschlägigen Männermagazin.« Valeries Mund klappt auf. Sie ist total verblüfft. »Oh, okay«, stammelt sie. Natürlich hat sie das Magazin voller nackter Mädchen schon mal gesehen. Aber der Typ neben ihr sieht gut aus und ist nett, warum macht der denn so was? Müssen die Frauen eigentlich mit ihm schlafen, um ins Magazin zu kommen? Das passt doch gar nicht zu ihm. Jemanden, der dort arbeitet, hätte sie sich schmierig und eklig vorgestellt. Und jetzt eine vierstündige Autofahrt von Frankfurt nach Hamburg, und das auch noch alleine? Andere Mitfahrer gibt es nämlich nicht …
Daniel hat Valeries Gedanken erraten. Diese Reaktion bekommt er von allen Leuten, die noch nie eine Ausgabe seines
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