Teufel in High Heels
geliefert bekam. »Übrigens, Harry und ich haben gerade die Tickets für Iowa gebucht. Ich schicke dir unsere Daten per E-Mail. Klar, wir haben noch reichlich Zeit... aber du weißt ja, wie heißbegehrt Iowa Mitte Januar als Reiseziel ist.«
»Gleichauf mit der Karibik, ich weiß. Mom wird sich so freuen, dass ihr zwei kommt. Ich hab schon überlegt, ob ich Randall frage, aber es ist ja noch Ewigkeiten hin -«
»Tu das, unbedingt. Okay, und vergiss nicht, mich zurückzurufen.«
Ich ging in den Flur und hielt nach Luke Ausschau. Er sichtete die Regale, auf denen mindestens ein Exemplar jedes einzelnen Buchs stand, das Grant Books in den letzten zehn Jahren publiziert hatte.
»Ihr habt ja wirklich ein paar echt tolle Autoren dabei!«, lautete sein leicht ungläubiger Kommentar - den man so oder ähnlich auch von anderen hörte, wenn ihnen aufging, dass das Verlagsprogramm nicht ausschließlich aus Pornos, Plattheiten und Politreißern bestand. »Hey, komme ich gerade ungelegen? Tut mir leid, dass ich einfach so unangemeldet hereinschneie.«
»Machst du Witze? Du kannst doch immer vorbeischauen.« Nachdem Jackson nun in Virginia seinen Ruhestand genoss, war Luke meine einzige Hoffnung, mit den Mayvilles weiter in Verbindung zu bleiben. Die Familienähnlichkeit war frappierend, wenn auch nicht auf den ersten Blick zu bemerken. Luke war etliche Zentimeter kleiner als Jackson, diese Bohnenstange von eins zweiundneunzig, hatte
einen dunkleren Teint und schärfere Züge. Doch in ihrer ganzen Haltung glichen diese beiden Mayvilles einander sehr.
Ich musste zugeben, dass Luke in seinem verblichenen T-Shirt und der Cargohose heute ziemlich süß aussah - zumindest definitiv besser als mit den Reklametafeln und dem Schnuller. Hmmm. Ich sollte wohl mal scharf nachdenken, ob ich ihn nicht mit irgendeinem tollen Mädel zusammenbringen konnte, sofern er Single war. Nachdem ich nun Randall gefunden hatte, wollte ich am liebsten alle Welt verliebt sehen. Mara vielleicht? Sie hatte in letzter Zeit einiges durchgemacht, und ich stellte es mir super vor, sie mit einem Typen wie Luke bekannt zu machen.
»Oh, danke. Es tut mir wirklich leid, dass ich einfach so bei dir reinplatze«, sagte er entschuldigend. Und dann reckte er triumphierend wie ein Olympiasieger im Gewichtheben einen Riesenstapel Blätter über den Kopf. Die Ringe unter seinen Augen … der erleichterte Gesichtsausdruck …
»Das muss das Opus magnum sein!«, rief ich. »Ist es fertig?«
Luke lachte, ließ sich auf meinen Besucherstuhl fallen und streckte die langen Beine von sich. »Na ja, sozusagen. Im Augenblick kann ich es nicht mal mehr beurteilen. Aber du wirst es lieben lernen, wenn du Schlafprobleme hast.«
»Ach ja?« Ich lachte. »Apropos, wann hast du eigentlich das letzte Mal geschlafen?«
»Lass dich nicht täuschen.« Luke rieb sich kurz die Augen. »In Wirklichkeit bin ich absolut ausgeruht. Aber ich unternehme alles Menschenmögliche, um das zu verbergen, wenn ich Verleger aufsuche. Du musst als tintenverschmierte, kettenrauchende, totenbleiche, halb verhungerte Leiche auf
Urlaub daherkommen, wenn du in dieser Stadt als Schriftsteller ernst genommen werden willst.«
»Schon klar. Oder dich als Riesenbaby verkleiden?« Bei der Erinnerung musste ich doch kurz losprusten.
»Exakt.« Er nickte gewichtig. »Beides macht garantiert Eindruck.«
Dann übergab er mir ohne weiteres Tamtam das Manuskript. Es ruhte schwer in meinen Händen. »Es ist noch ziemlich roh«, erklärte er. »Da muss noch viel dran getan werden. Das Ende kommt zu überstürzt, die Handlung ist zäh, und mir fällt ums Verrecken kein Titel ein. Also, ich meine, kein Problem, wenn du nicht dazu kommst, es zu -«
»Luke«, sagte ich, und er holte tief Luft, »ich möchte es sehr, sehr gern lesen. Danke.«
Ich habe mir immer vorgestellt, für einen Schriftsteller müsste ein solcher Moment mit dem Gefühl vergleichbar sein, sein Kind zum ersten Mal in der Schule abzuliefern - stolz, erwartungsvoll, aber auch voller Furcht, er oder sie könnte negativ beurteilt, verhackstückt oder schlicht ignoriert werden. Diesen qualvollen Zustand keine Sekunde länger als nötig währen zu lassen, zählte für mich als Lektorin zu meinen absoluten Prioritäten.
Luke war ganz offensichtlich mit mehr als der üblichen Portion von Trennungsangst geschlagen. Ich gelobte mir innerlich, dass sein Manuskript bei mir kein einziges Staubflöckchen ansetzen würde. Egal wie viel Arbeit vor mir lag, ich
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