Teufel in High Heels
mit Ausnahme von Vivian, die ja in L.A. war - saß auf der einen Seite. Ich erspähte einen freien Platz neben Phil und warf Lulu, die mit großen Unschuldsaugen selbstgefällig auf ihrem Stuhl thronte, einen mörderischen Blick zu.
Diese Kanaille würde ich mir später vorknöpfen. Im Augenblick hatte ich anderes zu tun.
»Ich darf Ihnen Claire Truman vorstellen, unsere neueste Lektorin«, sagte Graham. »Claire, Sie kommen genau richtig, um uns Bericht über die zwölf Bücher zu erstatten, die Sie für das Frühjahr auf Ihrer Liste haben.«
Ich setzte mich und nahm meine Karteikarten zur Hand. Erst jetzt fiel es mir auf: Ich war nicht nervös. Irgendwie hatten die panischen letzten fünfzehn Minuten, der Adrenalinschub in meinem Blutkreislauf und der Wahnsinnsspurt durch den Flur magische Wirkung gezeigt und mich von meiner üblichen Furcht vor öffentlichen Auftritten kuriert. Als ich mit dem ersten Titel loslegte, fühlte ich mich entspannter, selbstbewusster und wortgewandter denn je zuvor in einem größeren Kreis. Davids Notizen waren punktgenau,
und ich konnte sämtliche Fragen der Vertriebsleute zu ihrer Zufriedenheit beantworten.
Danach sah ich zu Lulu hin. Sie hatte die Arme um ihr Knochengestell geschlungen und machte einen spitzen, bösen Mund. Ganz offensichtlich kochte sie innerlich vor Wut.
»Gut gemacht, Mädel«, sagte Phil mit einer herzlichen Umarmung, als wir uns wieder in den zwölften Stock hinaufbegaben.
»Dank David«, sagte ich und zwängte mich zu der Belegschaft in den Aufzug. »Lulu, offenbar habe ich die E-Mail bezüglich der Terminverlegung nicht bekommen. Wissen Sie, wieso ich nicht auf der Liste stand?«
»Sie standen nicht auf der Liste?«, gab sie zurück, ohne mich anzusehen. »Dann muss ich sie vielleicht mal überarbeiten.«
»Was für eine schöne, zu Herzen gehende Entschuldigung, Lulu«, bemerkte Phil beim Aussteigen. »Eins sage ich Ihnen: Wenn Claire und David sich nicht so bravourös aus der Affäre gezogen hätten, wäre das zu Lasten von einem Dutzend Bücher auf unserer Liste gegangen. Wie Vivian das wohl schmecken würde?«
Lulu ließ den Kopf ruckartig zu ihm herumfahren, mit Furcht im Blick.
»Überprüfen Sie Ihre Verteilerliste für Rundmails an die Belegschaft«, sagte ich, während ich zu meinem Büro abschwenkte. Von jetzt ab würde ich besser auf der Hut sein, aber mein Zorn hatte sich weitgehend verflüchtigt. Wie Phil ganz richtig sagte: Ich hatte es gut gemacht.
»Claire!« Mimi, ein wuchtiges Geschoss auf zwei Beinen, stürmte durch das winzige Restaurant auf mich zu und schloss
mich in die Arme. »Sehen Sie sich bloß an! Nur noch Haut und Knochen, mia bella ! Warum sind Sie so dünn?« Dann drehte sie sich zu Luke und zwickte ihn kräftig in die Wange. Er lächelte tapfer gegen den Schmerz an. »Meine beiden liebsten Gäste, zusammen bei mir! Ah, wie das Mimi freut!«, krähte sie und führte uns zu unserem Tisch.
Das Dekor bei Mimi’s wurde sämtlichen Klischees gerecht - rotkarierte Tischtücher, Tropfkerzen auf alten Weinflaschen, Weichspülmusik von Sinatra im Hintergrund -, aber kein Restaurant in ganz New York konnte mit dem Erlebnis konkurrieren, von Mimi persönlich an der Tür in Empfang genommen zu werden wie ein altes Familienmitglied.
Luke lächelte mir scheu zu, als wir Platz nahmen. Er trug ein kuschelig wirkendes Oxfordhemd, und sein dunkles Haar war nur ganz leicht verwuschelt.
»Mein Freund liebt Spaghetti Bolognese«, gab ich nach einem Blick auf die Speisekarte ungefragt kund - eine Aussage, an der natürlich vorne und hinten nichts dran war: Weder würde Randall eine derartige Kalorienbombe jemals auch nur mit dem spitzen Finger anrühren, noch waren wir bisher letztlich so ganz auf dem »Mein Freund/Meine Freundin«-Level angelangt. Doch trotz der kleinen Pleite von gestern Abend war ich total verrückt nach ihm - und musste sein Vorhandensein unbedingt nach außen dokumentieren. Jacksons heißgeliebten Neffen in dem Glauben zu wiegen, dies könnte mehr sein als nur ein netter Treff zum Abendessen, war nun wirklich das Letzte, was ich wollte.
»Da kannst du dich glücklich schätzen.« Luke sah lächelnd von der Speisekarte auf. »Meine Freundin ist strikte Veganerin, und das heißt, ich gehe öfter im Zen Palate essen,
als mir lieb ist. Ich bin gerade mit viel Willenskraft zu der Überzeugung gelangt, dass die glutenfreien Sojanuggets essbar sind.« Er sah einen Moment lang nachdenklich vor sich hin. »Na ja,
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