Teufel in High Heels
ließ die Ordner auf einen Beistelltisch plumpsen und teilte sie mit der unbeteiligten Effizienz eines Kartengebers beim Siebzehnundvier im Bellagio aus.
War ich in dem Laden hier eigentlich als Einzige völlig durch den Wind, weil ein langjähriger Lektor - noch dazu einer, der solch unglaubliche Leistungen und so viel Engagement vorzuweisen hatte wie Phil - einfach so aus heiterem Himmel gefeuert werden konnte? Dawn und Phil hatten vier Jahre lang zusammengearbeitet - vier Jahre bei Grant Books, was woanders so viel hieß wie zwanzig -, und trotzdem schien die Tatsache, dass Vivian sich auf herzloseste Weise seiner entledigt hatte, Dawn nicht im Mindesten zu kratzen.
Wobei mir auffiel, dass ich Dawn eigentlich noch nie auch nur ansatzweise irritiert erlebt hatte, obwohl sie für gewöhnlich direkt in Vivians Schusslinie stand. Einerseits bewunderte ich sie für ihre unerschütterlich professionelle Haltung. Andererseits erschreckte sie mich damit.
»Das wär’s dann wohl«, sagte sie knapp, nachdem wir Phils Bücher fertig aufgeteilt hatten.
»Darf ich noch kurz bleiben und ein paar andere Dinge mit Ihnen besprechen?«, fragte Lulu Vivian, als wir uns erhoben und die Ordner zusammenpackten. Vivian nickte. Dawn und ich wanderten schweigend zurück zu unseren Büros.
»Gibt es eigentlich irgendwas, das Sie aus dem Konzept bringt, Dawn?«, fragte ich schließlich, als wir vor meiner Tür standen. »Ehrlich gesagt, scheint es Ihnen nicht das Geringste auszumachen, dass Vivian Phil ohne jeden Grund gefeuert hat.«
Dawn sagte nichts. Sie sah sich hektisch nach allen Seiten um wie ein gehetztes Tier. Nachdem sie sich offenbar vergewissert hatte, dass außer uns beiden niemand in Hörweite war, flüsterte sie kaum vernehmlich: »Wenn man sie merken lässt, dass man sich über etwas aufregt - dann hat sie gewonnen.« Und damit trottete sie durch den Flur davon.
Ich machte die Tür hinter mir zu und fröstelte plötzlich. Halb wünschte ich mir, ich hätte nicht gefragt. In Dawn eine Art professionellen Roboter zu sehen, war leichter als die Erkenntnis, dass sie tatsächlich ein menschliches Lebewesen und seit Jahren in einer schwer gestörten Beziehung zu ihrer tyrannischen Chefin gefangen war.
Kaum hatte ich meine Bürotür geschlossen, brach in mir ein Damm. Ich vergrub das Gesicht in den Händen und überließ mich den Tränen.
Zwölftes Kapitel
Die Glasglocke
»Einen Bellini?«, fragte mich eine Blondine mit Stringtanga und federförmigen Nippies. Die hatte Vivian eigens als Brustwarzenschmuck für sämtliche Mädels bestellt.
»Äh, nein, danke. Für mich im Augenblick nichts.« Ich würde nicht lange genug bleiben, um einen Bellini auszutrinken.
Aus den Lautsprechern dröhnten schwere Bassklänge zur Untermalung für eine Oben-Ohne-Brünette, die sich auf der Bühne um eine Stange wand. Ich ließ den Blick einmal durch den Raum schweifen. Der arme David hockte mit ein paar anderen Assistenten zusammen, die sich offensichtlich ebenso unwohl in ihrer Haut fühlten wie er und nicht wussten, wo sie hinschauen sollten.
Vivian hatte sich wahr und wahrhaftig selbst übertroffen. Unsere ganze Etage hatte ihre Debatte mit Sonny Wentworth, dem Geschäftsführer des Verlags, über die Frage mit angehört, ob Lucky’s, ein nur zu bekannter Stripteaseclub in Manhattan, sich als Austragungsort für eine Buchvorstellung eignete. Sie hatte gewonnen. Aber tat sie das nicht immer?
»Claire«, kam es von Lulu, die sich unbemerkt angeschlichen hatte. Mit ihrem knappen Minikleid und der passenden
schwarzledernen Ballonmütze sah sie aus wie Britney Spears nach einer langen Dürreperiode. »Ist die Party nicht einfach nur genial?«
Lulu war absolut nicht der Typ für lockeres Geplauder. Sie wollte mich ins offene Messer laufen lassen, so viel wusste ich.
»Sie hat schon was«, rang ich mir ab. Wenn »genial« für Lulu »krass, heftigst unpassend und aller Voraussicht nach Anlass für diverse Strafanzeigen« bedeutete, dann: ja, dann war die Party einfach nur genial. Wenn »genial« für sie gleichbedeutend mit »total daneben« war - bei einer Buchpräsentation den führenden Vertriebs- und Medienvertretern zum Abschied Sexspielzeuge in die Hand zu drücken -, dann wiederum war die Party genau das: einfach nur genial.
»Schon mein Tattoo gesehen?«, fragte Lulu und hielt mir das bisschen Bizeps hin, das sich auf ihrem klapperdürren Oberarm ausmachen ließ: ein abwaschbares Tattoo mit der Botschaft I ❤ The Boss .
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