Teufel ohne Gnade Kommissar Mor
Anspruch darauf erhoben hatte, es auch nicht beabsichtigte, so wollte er wenigstens wissen, in welche Hände Craffield- Castle einmal gelegt würde. So antwortete er im gleichen Tonfall des Lords: „Ein Anrecht hat er, gewiß! Aber nur auf die Hälfte deines Besitzes. Die andere Hälfte dürfte rechtmäßig Belinda zukommen. — Oder willst du sie etwa ...?“
„Yes, Sterling! — Es ist mein fester Entschluß. Sollte Belinda nicht sofort zur Einsicht gelangen und ihr liederliches Leben aufgeben, so werde ich ihren Erbteil zugunsten Louis' abändern lassen.
„Soweit ist es also schon mit dir.'
„Genauso ist es, Sterling. Es ist besser, den Besitz in den Händen eines Dandys zu wissen, als ihn durch ein leichtsinniges Frauenzimmer unehrenhaft vor die Hunde gehen zu lassen!"
„Unehrenhaft — ein bedeutsames Wort. Doch ich glaube dich schon einmal gefragt zu haben, was du überhaupt von Belindas augenblicklichem Leben weißt?"
„Genug, Sterling, um dieses Wort gebrauchen zu können."
„Irrtum, Jeffrey! — Nicht jede Künstlerin führt ein Leben wie damals die schöne Helena!"
„Und diese luxuriöse Wohnung in Pimlico? — Und dann dieser Kerl, der ihr das Geld dazu gegeben hat? Sterling, versuche nicht, mir etwa einzureden, daß dieses alles seine Richtigkeit hat." Erregt war Lord Craffield aus seinem tiefen Sessel aufgesprungen und begann eine ruhelose Wanderung.
„Sir Jeffrey Craffield, — nun höre einmal ganz genau zu! — Ich habe nicht die Absicht, dir etwas einzureden. Vielmehr sind es unumstößliche Tatsachen, die ich jetzt berichte. Erstens, die Wohnung in Pimlico, die unser Nicht- chen bewohnt, ist kein Sündenpfuhl, wie du ihn dir vielleicht vorzustellen wagst. — Und das Geld dazu hat sie von einem Manne erhalten, den du persönlich hier in deinem Hause als Gast begrüßt hast.
Erstaunt hielt der alte Lord in seiner gereizten Zimmerwanderung inne. „Wie soll ich das verstehen?"
Sterling O'Hara ließ sich zu der Beantwortung sehr viel Zeit. Umständlich zündete er sich eine Zigarre an, und erst als dicke Rauchwolken gegen die Decke schwebten, öffneten sich seine Lippen: „Ist dir der Name William Haggerthy bekannt?" stellte er zur Einleitung dem Lord ebenfalls eine Frage.
„Haggerthy, Im- und Export. — Ein Mann aus angesehener Familie, wenn ich mich recht erinnere?"
„Ganz recht, Jeffrey! — Dieser Mann war es, dem sich unsere Nichte anvertraute, als du sie vor zwei Jahren vor die Wahl stelltest, Künstlerin — oder Gefangenschaft auf Craffield-Castle, und sie fast mittellos ihren eigenen Weg zu gehen begann.“
„Empörend!" kam es zischend zwischen den Zähnen des Lords hervor.
„Well, dachte ich auch, Jeffrey, als ich ihr seinerzeit meine Hilfe anbot und sie mir zwar höflich, aber nicht ohne Nachdruck zu verstehen gab, daß sie auf keinen Fall mehr von Craffield-Castle und deren Verwandtschaft abhängig sein wollte.
Nun, kurz und gut! Belinda nahm also nicht mein Geld, sondern das von William Haggerthy. Jeden Dollar aber hat sie ihm schon mit Zins und Zinseszinsen zurückerstattet. Ich weiß es. Trotzdem sind die beiden bis zum heutigen Tage Freunde geblieben. Daran hat auch nicht ihre Karriere als Sängerin etwas geändert."
„Karriere nennst du ihr allabendliches Auftreten in diesem Tingeltangel — diesem FIXED STAR-CLUB?"
Höhnisch lachte der Lord auf.
O'Hara antwortete aber ruhig: „No, mein Lieber! Nicht Tingeltangel, sondern first dass ist dieser FIXED STAR-CLUB. Man merkt es immer wieder, wie weltfremd du geworden bist. — Außerdem glaube ich, kann man eine wöchentliche Aufnahme beim Television schon als eine Karriere bezeichnen. Hm, und noch etwas!" Sterling O'Hara unterbrach für wenige Sekunden seine Worte. Seine Rechte fuhr in die Brusttasche seines Rockes und zog einen weißen Briefumschlag heraus. Als er die darin befindliche Doppelkarte entnommen hatte, reichte er sie mit verschmitztem Lächeln dem Lord herüber. „Kennst du dieses?"
Kurz warf Lord Craffield einen Blick auf das weiße Büttenpapier: „Selbstverständlich sind mir diese Einladungen zum alljährlichen Wohltätigkeitsfest in der Albert-Hall bekannt. Und obwohl ich in den letzten zehn Jahren nicht mehr dort anzutreffen war, erhalte ich immer noch diese Einladung. — Doch was hat dieses Fest, das ich auch in diesem Jahr nicht besuchen werde, mit unserem Gespräch zu tun?"
„Du solltest aber in diesem Jahr dort hingehen, Jeffrey?" meinte O'Hara vieldeutend. „Viele alte
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