Teufel ohne Gnade Kommissar Mor
Personen, sondern nur eine Person, ein Mann, der dort eine bequeme Sitzlage eingenommen, gemächlich an einer Zigarette zog und auf etwas zu warten schien.
Aber auch jetzt, da Louis Aden wie ein Schatten über den Gehweg gehuscht war, veränderte der Mann im Fahrzeug nicht seine bequeme Lage. Weiter drang der Zigarettenrauch aus dem Munde des Mannes und entwich durch die herunter gedrehte Seitenscheibe des Kabrioletts. Nur die Augen des Rauchers verengten sich zu schmalen Schlitzen. Ohne merklich seinen Kopf zu drehen, blickte er zu dem Fenster hinauf, das bisher im Dunkel lag und soeben erleuchtet wurde.
Ein spöttischer Zug legte sich auf seine Lippen, als er leise flüsterte: „Was lange währt, wird endlich gut!"
Es dauerte auch nicht mehr lange, da erschien der von dem nächtlichen Raucher beobachtete Louis Aden erneut unter der Tür des Hauses. Mit leicht schwankenden Schritten ging der nun mit einem dunklen Umhang bekleidete Dandy zu seinem Wagen und stieg ein. „Nanu, noch eine kleine Tour vor?" war der Mann im Kabrio ein wenig erstaunt. — Setzte aber sein Fahrzeug ebenfalls in Bewegung, als der Dandy die Chepstow-Villas hinaufrollte. Es wurde keine kurze Fahrt, so wie der Verfolger zunächst angenommen hatte, sondern quer durch London rollten die Wagen in mäßigem Tempo immer weiter gen Osten.
„Wo mag der Boy wohl noch zu dieser späten Stunde hinwollen?" fragte sich der Mann im Kabrio, als er immer zwischen dem Verfolgten und sich zwei weitere Fahrzeuge fahren lassend, über die Commercial-Road dahinfuhr und zu seiner Rechten die Regents-Canal- Docks auftauchten. Er erfuhr es schon in den nächsten Minuten. — Inzwischen war es für ihn von Sekunde zu Sekunde riskanter geworden, seinen gut sichtbaren und geringen Abstand zu den von ihm verfolgten Wagen beizubehalten. Spärlicher waren die schreienden Lichtreklamen der längst der Straße liegenden Geschäfte und Lokale geworden. Dunkler, drohender schoben sich zu beiden Seiten der Straße die kahlen Wände der verwahrlosten Häuser an die Fahrbahn heran. Als auch noch das letzte schwankende Schlußlicht des zwischen ihnen liegenden Wagens in eine Seitenstraße abbog, fuhr er zunächst auch in diese dunkle Straße hinein. — Blitzschnell wendete er jedoch sein Kabrio wieder und fuhr so mit einem größeren Abstand hinter dem Dandy her.
„Sicher, ist sicher!" sagte er sich, nachdem er absichtlich dieses Täuschungsmanöver durchgeführt hatte und durch den Nebelschleier die roten Leuchten des Wagens in die Cable-Street untertauchen sah ...
Etwa eine halbe Meile noch fuhr Louis Aden auf dieser zweitrangigen Straße dahin. In Höhe des Chadwell-Basin ließ er seinen Wagen zurück und schritt in die berüchtigten Gassen dieses Viertels hinein. Menschenleer und totenstill lag die Jupiter-Street vor ihm. Kein Laut war zu hören. Die Jupiter-Street schien ausgestorben zu sein. Louis Aden war so sehr mit sich selbst beschäftigt, daß er nicht den schleichenden, dunklen Schatten hinter sich bemerkte. Plötzlich schien ihn aber eine innere Unruhe, zu befallen. Aengstlich blickte er sich um. Hinter ihm geisterten Nebelschleier durch die verwahrloste und nur schwach erleuchtete Straße. — Sonst nichts! —
,Ich sollte kehrtmachen und den Dingen freien Lauf lassen' hämmerte ihm unaufhörlich eine warnende Stimme ein. Seine Zähne begannen wie in einem Schüttelfrost aufeinander zu schlagen. Kalter Schweiß bedeckte seine Stirn, ließ seine Hände feucht werden. Seine Beine wurden ihm so schwer, daß er einen Augenblick stehenbleiben mußte. Zwei- dreimal atmete er tief durch und versuchte mit Gewalt, seine ängstliche Natur zu überwinden.
„Unsinn!" stieß er heiser hervor. „Der verfluchte Alkohol ist schuld daran, daß ich jetzt schlapp mache und Gespenster sehe."
Grimmig versuchte er, sich zusammenzureißen.
Da traf ihn ein Laut, der ihn erzittern ließ: „Louis Aden!" peitschte wie ein Pistolenschuß sein Name auf.
Nicht fähig, auch nur noch einen Schritt weiterzugehen, stierte Louis Aden entsetzt in die Richtung, aus der eine männliche Stimme seinen Namen genannt hatte. So sehr er auch sein umnebeltes Hirn anstrengte, er sah nichts. — Nur diesen geisterhaften Nebel. Da traf der warme Hauch eines Menschen seinen Nacken. Eine an Wahnsinn grenzende Todesangst griff nach seinem Herzen und machte ihn in dem Moment widerstandslos, wo er es am nötigsten gebraucht hätte. Feige, wie sein ganzes Leben war, waren auch seine letzten Sekunden.
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