Teufel - Thriller
ungerührt fort. »Und noch ein Fehler wurde schnell offensichtlich. Es wurde kein Messer gefunden. Man kann sich schwer die Pulsadern mit den Fingernägeln aufschneiden.«
»Woher wissen Sie das alles?«, erkundigte sich Bertucci tonlos.
»Unterschätzen Sie mein Netzwerk in Rom nicht«, erwiderte Kleinert. »Wenn eine Fliege hustet, weiß ich bereits, in welcher Apotheke sie den Hustensaft einkaufen wird.«
Der Advocatus Diaboli versuchte vergeblich, einen Unterton von Selbstgefälligkeit bei dem deutschen Kurienkardinal zu entdecken. Aber da war keiner, und das beunruhigte ihn umso mehr.
»Was sollte die Frage mit den Divisionen des Papstes?«, stieß Bertucci nach, der sich mit einem Mal unwohl in der Badewanne fühlte und rasch herausstieg. Vor seinen Augen lag die nackte Archivarin bis zum Hals in ihrem Blut.
»Woran hat Zanolla gearbeitet? Was hat sie in den kilometerlangen Regalen des Geheimarchivs gefunden? Worüber wollte sie mit Ihnen sprechen? Gestern stürmen Scaglietti und Bertani von Pro Deo zuerst zum Heiligen Vater und dann ins Vatikanische Archiv. Wenige Stunden später findet man, welch Zufall, die leitende Archivarin tot auf.« Kleinert machte eine Pause. Dann fuhr er leise fort. »Glauben Sie noch an Zufälle, Bertucci?«
Die Gedanken des Advocatus Diaboli rasten. Er hätte gerne in Ruhe nachgedacht, doch Kleinert war nicht zu bremsen.
»Sie sind doch der Kurier Seiner Heiligkeit, Sie besitzen sein Vertrauen, Sie haben in den letzten dreißig Jahren mehr Geheimnisse erfahren als mancher Papst. Seien Sie auf der Hut, Bertucci, sonst kann Ihnen nicht einmal mehr Ihr Chef helfen.«
Damit legte der Kardinal auf.
Während er sich abtrocknete und versuchte, das Bild der toten Dottoressa Zanolla zu verdrängen, überlegte Bertucci fieberhaft, wen Hartmut Kleinert mit »Chef« gemeint hatte. Dann fiel ihm plötzlich ein Zitat von Albert Schweitzer, dem großen Arzt und Philosophen, ein: Der Zufall ist ein Pseudonym, das der liebe Gott wählt, wenn er anonym bleiben will.
Bertucci bezweifelte stark, dass es einen lieben Pro Deo gab.
Breitensee, Wien/Österreich
U m Punkt 8.00 Uhr läutete der Wecker neben dem Bett Paul Wagners, und der Reporter war versucht, ihn einfach zu ignorieren oder mittels eines dicken Kopfkissens zum Schweigen zu bringen.
Dann müsste er nicht einmal die Augen öffnen und könnte noch ein wenig schlafen …
Aber das Piepsen hörte nicht auf, und Augenblicke später stimmte der Wecker aus dem Gästezimmer in das Konzert mit ein. Berner hat offenbar mit jeder Minute gegeizt, dachte sich Paul, gähnte und streckte sich. Es war spät geworden gestern, oder besser gesagt früh heute Morgen, und so hatte er den Kommissar eingeladen, gleich bei ihm in der Remise zu übernachten.
Die Mordkommission hatte mehr als eine Stunde gebraucht, um aus St. Pölten anzureisen, was bei Kommissar Berner einen mittleren Wutanfall ausgelöst hatte. Mit den anschließenden Vernehmungen und Befragungen, der Aufnahme der Personalien und dem Eintreffen der Spurensicherung waren noch einmal ein paar Stunden vergangen und es war Mitternacht geworden. Den protestierenden Maurer senior zu überzeugen, dass eine Schutzhaft für ein paar Tage das Beste und Sicherste für ihn sei, hatte eine weitere Stunde gekostet. Zum Glück hatte ihm sein Sohn zugeredet, und irgendwann war der Alte weich geworden. Sonst stünden sie heute noch diskutierend im Hof des kleinen Bauernhauses, dachte Wagner und schob sich endlich aus dem Bett.
Der Wecker nervte.
So war es halb zwei Uhr morgens geworden, als Wagner endlich Berner im »Pizza-Expresss« verstaut und sich in Richtung Wien auf den Weg gemacht hatte. Burghardt war in seinem halb verfallenen Haus geblieben, als Nachhut, wie er betonte. So ganz nebenbei wartete er auf den versprochenen Schutt-Container und wollte beginnen, das Chaos in seinem Presshaus zu beseitigen.
Berner war einerseits froh, nach Wien zurückzukehren und Burghardts Ruine entkommen zu sein, andererseits starb er drei Tode auf dem Weg nach Wien, als Wagner die B2 mit einer Rennstrecke verwechselte und den Mazda MP3 ausfuhr.
Paul brachte endlich den Wecker zum Schweigen und warf sich einen Morgenmantel über. Kaffee, Dusche, Augen aufmachen, in dieser Reihenfolge, dachte er sich und stolperte Richtung Küche.
»Sind Sie das oder Ihr Großvater?«, brummte Berner, der im Türrahmen des Gästezimmers lehnte und sich mit der Hand übers Gesicht fuhr.
»Wer will das wissen? Bela Lugosi? Da
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