Teufel - Thriller
auf. »Sie gefallen mir, Professor. Also hören Sie mir gut zu. An diesem Ort wird das Spiel für Sie neu gemischt. Das Deck liegt auf dem Tisch, der Stapel ist abgehoben und die Karten gegeben. Aber wir haben keinen Spielleiter mehr. Er ist weg, verschwunden, hat sich in Rauch aufgelöst.«
»Welches Spiel spielen wir? Poker?« Sina erwiderte den forschenden Blick seines Gegenübers.
»Wir spielen gar nichts«, antwortete der Unbekannte geheimnisvoll. »Aber man spielt Piquet. Sie kennen mittlerweile die Regeln. Und jetzt unterbrechen Sie mich nicht mehr, sondern hören mir zu und zählen Sie nach. Das ist der kühne Ring: Paul Wagner, Barbara Buchegger, die tapferen Ermittler Berner, Burghardt, Eduard Bogner, Valerie Goldmann, Sie selbst und last but not least meine Wenigkeit als Vertreter einer, sagen wir, interessierten Partei.« Er zwinkerte Georg zu. »Acht! Wir sind der Talon, die verdeckten Karten. Wir können das Spiel entscheiden.«
»Ich verstehe kein Wort«, meinte Barbara ratlos und schaute von einem zum anderen.
»Professor Sina weiß genau, wovon ich rede. Er hat die verschollenen Aufzeichnungen des Zwerges gelesen, die alle Welt jetzt so gerne hätte. Und Freund Paul Wagner ist einer versteckten Kriegsbeute auf der Spur, die zwingend dazugehört.«
»Tut mir leid, jetzt habe ich keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Wie Sie meinen«, erwiderte sein Gegenüber ungerührt. »Wir sind am selben Punkt angelangt wie letztes Jahr unter dem Rennweg. Ich will das Archiv bekommen. Fast ein ganzes Jahr lang habe ich Ihr Leben studiert, Ihre Vorlesungen besucht und mich mit Ihrer Denkweise vertraut gemacht. Ich habe mich vorbereitet, weil ich wusste, dass wir uns wieder begegnen würden. Das ist unser letztes Gespräch. Das nächste Mal werde ich Sie umbringen, Professor, wie ich es bereits vor einem Jahr hätte tun sollen. Doch ich liebe die Herausforderung. Ich könnte Sie einfach hier erschießen und meiner Wege gehen. Aber das wäre reichlich banal, finden Sie nicht?«
Georg schaute in ein flackerndes Augenpaar.
»Also gebe ich Ihnen eine Chance, das macht es ja auch so viel spannender, oder? Sie werden ja doch nicht aufhören zu suchen. Folgen Sie dem Rat Mayröckers und folgen Sie den Krügen von Kana, finden Sie aber zuerst heraus, was es mit diesem Ort hier auf sich hat. Wenn Sie wissen, woher er seinen richtigen Namen hat, fahren Sie nach Wien und treffen Pater Pio Frascelli in der Minoritenkirche.« Der Mann stand auf und streckte sich. »Das ist mehr als genug an Information, Professor. Ab jetzt schauen Sie besser, wer hinter Ihnen her ist. Wenden Sie mir nicht den Rücken zu.«
Damit ging er zu der hölzernen Freitreppe zurück, nahm seine Pistole und steckte sie wieder ein.
»Kennen Sie das alte Spiel › Fangen ‹ ?«, rief er Barbara und Georg zu, die ihn mit großen Augen beobachteten. »Das hier war der neutrale Raum, die Zuflucht für verfolgte Seelen. Ab sofort ist Krieg, Professor. Ich habe Sie gewarnt. Sie haben noch eine Chance aufzugeben. Wenn nicht, dann tut es mir leid. Dann werde ich Sie fangen und töten. Leben Sie wohl.«
Er nickte kurz und verließ mit großen Schritten den Friedhof.
316 n. Chr., Aelia Capitolina (Jerusalem)/ Provinz Judäa, Römisches Reich
D ie Gassen im Souk von Jerusalem waren dunkel, eng und stickig. Die Stadt Davids platzte aus allen Nähten. Menschen und Tiere drängten sich durch die holprigen Straßen. Es roch nach dem Blut des Schlachtviehs und nach dem Unrat in den Rinnsalen am Straßenrand.
Theophilus, ein junger Vikar des Bischofs von Caesarea, drängte sich durch Menschen aus aller Herren Länder. Er stieß gegen Römer, Griechen, Araber und Perser. Dunkel geschminkte Augen über schwarzen Vollbärten blickten ihn böse an, Händler in Tuniken warfen ihm Verwünschungen an den Kopf, aber er ließ sich nicht beirren, blieb nicht stehen. Ein muskulöser römischer Tuchhändler packte ihn sogar am Gewand, aber Theophilus keuchte eine rasche Entschuldigung und entwand sich geschickt seinem Griff. Er hastete weiter. Von Zeit zu Zeit drehte er sich um, suchte nach seinen Verfolgern im Gedränge. Aber er hatte sie wohl endgültig abgehängt. Der Vikar schlüpfte in einen Hauseingang und sackte erschöpft zusammen.
Nach wenigen Augenblicken richtete er sich wieder auf, lehnte sich gegen die kühle Wand und atmete schwer. Der Schweiß rann ihm über Stirn und Oberkörper. Kurz entschlossen zog er seine weiße, verräterische Dalmatik aus, wischte
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