Teufel - Thriller
sehr einleuchtend. Diese Ritter stehen also im Kreis um dieses Loch. Was machen sie dann?«
»Laut der Bärenhaut rufen sie: Hie habent die chuonen ditzes landes an ainem ring, Do von schol daz hous heizzen Chuenring …«
Georg blieb der letzte Satz im Hals stecken.
Hatte der Priester nicht auch etwas von einem »kühnen Ring« gesagt? Der Talon, die verdeckten acht Karten des Piquet!
Sina wurde bei dem Gedanken heiß und kalt.
Das war es!
Der Wissenschaftler erinnerte sich an den Vers, der ihnen schon den Weg hierher nach Kühnring gewiesen hatte:
Staub, der lebendig Zwietracht säte, ruhte einst, wo die Kühnen des Landes in einem Ring gestanden und wo sechs Krüge angebetet werden, die Wasser zu Wein, den Mensch zum Gott veredeln wollen.
Jetzt war er sich sicher: Wenn er von Pio Frascelli in Erfahrung bringen konnte, wer der Mann gewesen war, der hier einmal Zwietracht gesät hatte, so wüsste er auch, von wem die Reliquie stammte, die Jauerling so verzweifelt gesucht hatte. Und Staub war wohl das Kürzel dafür.
»Wir müssen unbedingt in die Minoritenkirche!«, rief er und sprang auf. »Ich habe ein paar dringende Fragen an diesen Pio Frascelli. Insbesondere, wer der Mann war, der hier Zwietracht gesät hat, ob es womöglich seine Häresie ist, die in Schöngrabern dargestellt worden ist, und was es mit diesem kühnen Ring auf sich hat!«
Sina war nicht mehr zu bremsen. »Womöglich waren die hier versammelten Kühnen des Landes nicht einmal verwandt? Es wäre mehr als faszinierend, wenn wir es hier, so spät und so weit im Norden, mit einem Rückzugsgebiet der Arianer zu tun hätten, wie Mayröcker es angedeutet hat! Und die Kuenringer wären nichts anderes als die ausgesandten Jäger gewesen, die den rasenden Keiler für Rom erlegen sollten, aber sich der Faszination seiner Kraft nicht ganz entziehen konnten. Vielleicht haben sie das Gehörte im Heiligen Land überprüft und die Lehre der Verfolgten in ihren Bauten konservieren wollen? Sie standen treu zu den Babenbergern, widersetzten sich später wider jede Vernunft den romtreuen Habsburgern.« Er zog die Nonne hoch und mit sich in Richtung Lada. »Erinnern Sie sich? Sie hielten sogar Richard Löwenherz, den König von England und selbst ernannten Anführer des Dritten Kreuzzuges, gefangen. All das machte sie unberechenbar, undurchschaubar, zu den verdeckten Karten!«
Georg öffnete die Friedhofstüre und schob Buchegger hindurch. »Sie wurden zu gefährlich und mussten weg. Die Legende von den grausamen Raubrittern war geboren, und die erbarmungslose Jagd auf die Kuenringer war eröffnet! Sie wurden der Reihe nach gefangen, exekutiert, und benachbarte Adelige bereicherten sich an ihren Ländereien.«
»Das ist doch grotesk!«, bremste Barbara Sinas neu erwachten Tatendrang. »Außerdem hat der große Unbekannte gesagt, wir sollen zuerst den Hinweisen Mayröckers folgen, bevor wir zu diesem Frascelli gehen…«
»Sie meinen den Michelberg? Kein Problem, im Gegenteil, der liegt sowieso auf dem Weg nach Wien. Den lasse ich mir auf keinen Fall entgehen…« Er ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und nahm Tschak auf den Schoß. »Fahren wir!«
»Na fein!«, seufzte die Nonne. »Erst ein mordlüsterner Priester, jetzt ein tatendurstiger Geisteswissenschaftler mit alpinistischen Ambitionen. Irgendwie habe ich mir die versprochene › Sightseeing-Tour im eigenen Vorgarten ‹ ganz anders vorgestellt…«
Sie startete den kleinen Geländewagen. Als der Lada anrollte, fragte sich Barbara, was am Michelberg auf sie wartete.
Kloster der »Drachenkönige« nordwestlich von Lhasa/Tibet
E s war noch nicht hell draußen, als Valerie wach wurde und eine Bewegung neben der Matte fühlte, auf der sie lag. Die Mönche hatten ihr ein eigenes, großes Zimmer zugewiesen, das verschwenderisch mit Decken, Polstern und Matten ausgelegt worden war. In einer Ecke des Raumes hatte die halbe Nacht ein Feuer im Kamin gebrannt, das nun am frühen Morgen auf einige Glutnester reduziert war. Trotzdem war die Temperatur noch immer nicht unangenehm kalt. Es roch nach abgebrannten Kerzen und Räucherstäbchen.
Da war das Rascheln wieder! Goldmann drehte sich um und setzte sich auf. Neben ihrer Matte kauerte der Abt des Klosters auf dem Boden und lächelte sie im Halbdunkel freundlich an. Seine Finger hielten unablässig die rote Gebetskette in Bewegung.
»Ich weiß, dass es noch früh ist, aber ich wollte Sie ersuchen, mich zu begleiten«, sagte er leise. Damit stand er
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