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Teufel - Thriller

Teufel - Thriller

Titel: Teufel - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer David Weiss
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es hier skizziert habt, treffen sich alle an einem Punkt: an der Schläfe von Jesus.«
    »So ist es«, bestätigte Raffaelli. »Als ich das Bild genau untersuchte, spürte ich sogar das Loch des Nagels mit den Fingerspitzen, an dem Leonardo seine Fäden als Hilfslinien gespannt hatte. Ich vermute, es ist ein Wortspiel, wie es für da Vinci typisch ist«, gab Raffaelli zu bedenken.
    Ferrand legte den Finger an seine Schläfe. »Im Lateinischen nennt man diesen besonderen Teil des Kopfes auch › templum ‹ , den Tempel. Ihr seid wahrlich genial, Monsieur Raffaelli.«
    »Schön, dass Ihr es jetzt auch bemerkt.« Der Italiener lächelte zufrieden. »Jesus, oder besser gesagt, die gesamte Menschheit ist der Tempel Gottes. In uns Menschen lebt das Göttliche, in jedem von uns, und nicht nur in ein paar Auserwählten. Da schließt sich der Kreis. Die Pfaffen und den Adel soll der Teufel holen!« Er dachte kurz nach und zeichnete dann die zwölf Apostel. Während er den Stift über das Blatt tanzen ließ, redete er weiter: »Erinnert Euch, Signore Lecomtes, Jesus hat seinen zwölf Saufkumpanen gerade verraten, dass sein Verräter, der ihn der Kreuzigung ausliefern wird, mit ihm an einem Tisch sitzt. Sofort sind sie sich uneins darüber, wer von ihnen es sein könnte. Das wären wir ja in dieser besonderen Situation auch. Wir würden uns sofort gegenseitig verdächtigen, uns fragen, wer von uns beiden der Judas ist, der den andren ans Messer liefern wird.« Er vollendete die Skizze und setzte den Silberstift ab. »Aber es geht um viel mehr, das wissen die Jünger auch, sie beginnen zu streiten, wer der Ranghöchste unter ihnen ist, wer die zukünftige Kirche anführen wird.«
    »Und?« Ferrands Gedanken rasten. Es stimmte also, dass Leonardo an den Menschen Jesus geglaubt und diese Ketzerei in seinem Cenacolo verschlüsselt hatte. Was für eine Erkenntnis! Die Auferstehung hatte nie stattgefunden. Jesus war nicht der Sohn Gottes, sondern ein normaler Sterblicher. Eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes für die Kirche! Dieses Wissen konnte das Machtgefüge der Alten Welt zerschmettern, die Kirche einfach hinwegfegen. Er musste Raffaelli zustimmen. Weder der Adel noch Rom könnten sich weiterhin auf eine göttliche Abstammung berufen… Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit… Die Ideen der Französischen Revolution waren wieder auf dem Vormarsch, was für ein Gedanke!
    »Der entscheidende Punkt ist also, wo in diesem besonderen Augenblick welcher Kirchenlehrer sitzt«, erklärte Raffaelli und teilte seine Skizze mit einem dicken Strich. »Links entspricht dem Teufel, rechts dem Göttlichen, oder anders ausgedrückt: dem Unreinen und Reinen. Die Apostel zur Rechten von Jesus würden also die reine Lehre vertreten, zur Linken sitzen demnach die Verräter.«
    Ferrand wurde es heiß. Der Heilige Stuhl leitete seine Macht von der Nachfolge Petri ab. Dieses Gefüge durfte unter keinen Umständen infrage gestellt werden, nicht von Leonardo da Vinci, schon gar nicht von Napoleon, auch nicht von Kaiser Franz. Dies war sein Auftrag, der Grund, warum er den Lauf der verborgenen Waffe auf Raffaelli richtete.
    »Jakobus, Philippus und Thomas sitzen zur Rechten«, murmelte Raffaelli. »Von allen drei gibt es heilige Texte des Neuen Testaments, die auf dem Konzil von Nicäa aus der Bibel entfernt wurden. Doch nicht spurlos. Antike Kirchenväter haben sie zitiert. Der Besitz der Texte wurde mit dem Tod bestraft.«
    »Wer sind die Verräter?« Die Stimme des Abbé begann zu zittern, er kannte die Antwort nur zu gut. Die Pistole wog immer schwerer in seiner Hand.
    »Judas Iskariot, Andreas und Simon Petrus«, erwiderte der Künstler tonlos und zog mit finsterer Miene die Konturen von Petrus nach. »Der Gründer der römischen Kirche ist zweifelsfrei ein Verräter, er versteckt sogar ein Messer hinter seinem Rücken, um die wahre Lehre des Herrn zu ermorden… Hätte ich dieses Wissen dem Kaiser früher mitteilen können, er hätte den Papst niemals aus seinem Exil in Fontainebleau heimkehren lassen, sondern der Heilige Stuhl hätte als Feuerholz dienen können…«
    »Ich habe jetzt genug gehört!«, zischte Ferrand, zog die Pistole aus der Tasche und wollte abdrücken.
    Genau in diesem Moment sprang ein riesiger getigerter Kater mit hellem Fellkleid auf den Tisch. Die Becher und Krüge flogen wild durcheinander, krachten zu Boden. Der rote Wein ergoss sich in Bächen über die Tischplatte. Raffaelli fluchte und sprang auf. Zornig wischte er

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