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Teufel - Thriller

Teufel - Thriller

Titel: Teufel - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer David Weiss
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mit zwei Untersturmführern versucht, den herbeigeeilten Oberst davon abzuhalten, die Lokomotive abzukuppeln. Hatten von einem »höchsten Befehl« gesprochen, von »geheimer Reichssache«.
    Richter war dabeigestanden und konnte doch nicht verhindern, was dann geschah. Der Oberst hatte überraschend die Pistole gezogen und zweimal abgedrückt. Das hatte einen der Untersturmführer in ein schnell geschaufeltes Grab neben den Gleisen gebracht und den zweiten in den Lazarettwaggon, mit einem Lungendurchschuss.
    Richter hatte durch sein Eingreifen noch Schlimmeres verhindert, aber die Lokomotive war trotzdem verloren.
    Jetzt standen nur mehr die beiden SS-Männer mit ihren Maschinenpistolen zwischen der geheimnisvollen Ladung und der auseinanderbrechenden Welt und warteten, dass ihr Kommandant endlich wieder zurückkommen würde. Dieser hatte vor zwei Tagen überraschend einen Befehl erhalten und war in einem requirierten Wagen davongebraust. Über sein Ziel hatte er kein Wort verloren. Über seine Rückkehr auch nicht.
    Wieder kreischten die russischen Raketenwerfer hinter dem Hügel, und diesmal waren die Einschläge näher am Bahngelände. Dreck, Steine und Metallteile flogen durch die Luft, für einen Moment verstummten die Schreie der frisch Operierten, um dann umso lauter wieder einzusetzen.
    Richter griff in die Tasche, zog eine filterlose Zigarette und ein Sturmfeuerzeug heraus, wanderte langsam zu einem der Warteräume, der nach geteertem Holzboden und getrocknetem Urin roch, und beugte sich in eine Nische. Der Feuerstein schlug Funken, und die Flamme des Feuerzeugs erleuchtete flackernd ein Gesicht, das vorzeitig gealtert war. Die Furchen, die sich entlang des dünnen Mundes und zwischen den dunklen Augenbrauen zogen, verrieten Müdigkeit und Verzweiflung. Richter hatte so viele Menschen sterben gesehen, dass er aufgehört hatte, sie zu zählen. Er war in den heißen Sommern durch mückenverseuchte Sümpfe gerobbt und hatte in den langen russischen Wintern verzweifelt versucht, sich warm zu halten. Er hatte seine Kompanie immer wieder aufgefüllt, mit immer jüngeren Rekruten, die immer schlechter ausgebildet waren und immer schneller starben.
    Richter hustete. Irgendwann hatte er es aufgegeben, sich ihre Namen zu merken. Sie wurden schneller begraben, als er ihre Namen überhaupt lernen konnte.
    Er selbst hatte bisher unglaubliches Glück und offenbar einen Schutzengel gehabt, war immer wieder dem sicher scheinenden Tod entkommen, trotz Ruhr, regelmäßig wiederkehrenden Fieberanfällen und einer Schusswunde am Oberschenkel.
    Richter inhalierte tief und lang und hustete danach noch länger.
    »Sie sollten endlich auf ein anderes Laster umschwenken, Oberleutnant«, ertönte eine Stimme hinter ihm, und eine Hand legte sich auf seine Schulter. Richter nickte, noch immer hustend, und drehte sich um. Feldwebel Günther Walkowski stand vor ihm und sah ihn besorgt an. Der geborene Berliner war mit Richter nach Russland und wieder zurück gezogen, zu Fuß, auf Panzern und schlingernden Lastwagen, in zugigen Güterwaggons und in Beiwagenmotorrädern, die oft genug in Schlammspuren versanken und von Pferden wieder herausgezogen werden mussten.
    Richter, der Rechtsanwaltssohn aus dem Ruhrgebiet, der eigentlich von Richter hieß, und Walkowski, das Arbeiterkind aus Steglitz, waren durch die Erlebnisse der letzten fünf Jahre zusammengeschweißt worden, mehr als durch jede Familienbande. Trotzdem waren sie noch immer per Sie, ein Zeichen von gegenseitigem Respekt und vielleicht auch ein letzter Rest von Eleganz und Stil in diesem dreckigen Krieg.
    »Welche Laster bleiben uns denn Ihrer Meinung nach noch, Feldwebel? Frauen? Rauschgift? Alkohol? Nächtelange Vergnügungen in schummerigen Bars und Kaschemmen? Das ist längst vorbei, Walkowski. Das war in einem anderen Leben, und ich glaube nicht an die Wiedergeburt.« Richter machte eine wegwerfende Handbewegung, spuckte auf den schwarzen Holzboden und deutete über seine Schulter. »Es gibt anderes, Handfestes, woran ich glaube. Da hinten steht der Iwan und zieht uns die Haut über die Ohren, wenn er uns erwischt, wie einem ganz gewöhnlichen Feldhasen. Wir sollten schon lange weg sein, trotzdem hängen wir in diesem tschechischen Drecksnest fest. Kein Benzin mehr, keine Lokomotive, und die Munition geht zur Neige. Unsere Männer sind entmutigt, verletzt oder körperlich am Ende. So viel zum Glauben.« Er zuckte resigniert mit den Schultern und nahm einen weiteren tiefen

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