Teufel - Thriller
Licht eines Dutzends dezent angebrachter Leuchten erstreckte sich ein runder Saal vor Paul. In der Mitte der Steinbodens, eben eingelassen, prangte ein Ornament aus dunkelgrünem Stein, die Schwarze Sonne. Zwölf Säulen trugen die Decke, die Wände dahinter waren von zwölf Fenstern durchbrochen.
»Der Obergruppenführersaal.« Ahrends Worte hallten durch den leeren Raum. »Die genaue Bestimmung konnte nie geklärt werden. Manche behaupten, die Heilige Lanze, die heute wieder in der Wiener Schatzkammer aufbewahrt wird, sollte hier ausgestellt werden. Knobelsdorff jedenfalls hielt auf der Burg Mittsommernachtzeremonien ab. Nach und nach sollte die Religion der SS und der Nazis alle anderen ersetzen. So wurden SS-Führer hier auch auf der Wewelsburg getraut, in einer ganz eigenen Feier. Sie durften ja bekanntlich nicht katholisch heiraten.«
Paul schlenderte durch den Raum, während er Ahrends’ Ausführungen lauschte. Er fand den Saal seltsam uninspirierend, wie eine Theaterkulisse. »Die Gruft befindet sich darunter?«, fragte er schließlich.
»Ja, im Jahr 1943, als das Projekt nach den militärischen Niederlagen an allen Fronten gestoppt wurde, war nur der Nordturm fertiggestellt, und auch hier blieb das oberste Stockwerk unausgebaut. Der Turm, Mittelpunkt der geplanten riesigen Anlage und später auch der Welt, sollte vor allem einen Schutz für die Krypta darstellen, die ursprünglich eine Zisterne war.« Ahrends machte Paul ein Zeichen und löschte die Lichter wieder. »Kommen Sie, gehen wir nach unten.«
»Hat sich jemand über die Häufung der Zahl Zwölf hier den Kopf zerbrochen?«, erkundigte sich Wagner neugierig.
»Viele«, winkte Ahrends ab. »König Artus und seine Tafelrunde von zwölf Rittern, zwölf Hauptämter der SS, zwölf Monate, zwölf Apostel, es gab bereits alle Arten von Auslegungen. Fest steht nur eines: Das Hakenkreuz an der Decke der Krypta war genau mit der Schwarzen Sonne ausgerichtet, die ursprünglich eine goldene Scheibe in ihrem Zentrum trug und zwölf Sieg-Runen vereint.«
Die Gruft war kreisrund, lag nur wenig unter Bodenniveau und wurde ebenfalls von kleinen, aber starken Scheinwerfern erleuchtet. In ihrer Mitte war eine runde Vertiefung, etwa drei Meter im Durchmesser. »Manche nehmen an, es könnte sich auch um die letzte Ruhestätte von Himmler handeln, die er noch zu Lebzeiten dazu bestimmt hatte.«
Ahrends zuckte mit den Schultern. »Andere wiederum behaupten, man habe geplant, nach dem Krieg in der Mitte etwas aufzustellen, eine Götzenfigur oder ein besonderes Heiligtum. Genaueres werden wir wahrscheinlich nie erfahren. Auch die Funktion der zwölf Steinpodeste ist ungeklärt.«
»Keine Unterlagen?«, warf Paul ein.
»Alles verbrannt«, antwortete der Historiker. »Die Liste von SS-Männern, die ich Ihnen gleich zeigen werde, blieb nur durch einen Zufall im Ort erhalten. Wäre sie auf der Burg gewesen, dann hätten wir weniger Glück gehabt.«
Die beiden vergilbten Blätter waren mit Maschine geschrieben und trugen das Datum 18. Februar 1945. Wagner spürte die Nervosität aufsteigen, sich in seinem Magen einnisten. Er zog den Ausweis aus der Tasche und klappte ihn auf.
»SS-Obersturmbannführer Karl Lindner ist der Mann, nach dem wir suchen«, murmelte er. »Die beiden anderen waren nur Chargen.«
»Blättern Sie um, der Buchstabe L ist auf der anderen Seite«, meinte Ahrends.
Im oberen Drittel sprang Wagner der Eintrag »Lindner, Karl, Obersturmbannführer« entgegen.
Er stand seltsamerweise in der zwölften Zeile.
Israelische Botschaft, Wien-Währing/Österreich
W einstein, sind Sie noch im Büro?« Valerie lenkte den Audi mit der rechten Hand, während sie mit der linken das Handy ans Ohr drückte. Dann beschleunigte sie voll über eine gelbe Ampel, schaltete in den nächsten Gang und ließ dazu das Lenkrad aus. Der Audi schoss nach vorne wie von einer Feder geschnellt. Bertucci kauerte starr auf dem Beifahrersitz und fragte sich, ob er die Fahrt überleben oder ob Goldmann Pro Deo die Arbeit abnehmen und ihn direkt in die Familiengruft befördern würde.
»Öhh… also, um genau zu sein…«, versuchte es Weinstein mit einer Hinhaltetaktik.
»Sie sind genauso vorhersehbar wie Chanukka«, unterbrach ihn Goldmann. »In zehn Minuten in der Botschaft, oder Sie schaffen sich besser schon einen Reiseführer für Lhasa an.«
»Es ist fast Mitternacht!«, protestierte Weinstein empört.
»Knapp nach 23.00 Uhr, um genau zu sein, und damit noch früh am
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