Teufel - Thriller
Bibelausgabe, die vor ihm auf der spiegelnden Tischplatte lag. Er trug einen schwarzen Anzug, streng nach hinten gekämmtes Haar, das ihm ein italienisches Aussehen verlieh, und auf Hochglanz polierte Schuhe. Nur das zarte goldene Kreuz auf dem Revers verriet seine kirchliche Stellung.
Die verstaubte Schachtel aus braunem Karton mit den eingerissenen Ecken, die neben der Bibel stand, wollte überhaupt nicht zu dem ausgesuchten Interieur des Büros passen, das keinen Steinwurf von St. Stephan entfernt lag. Trotzdem ließ sie der Mann im schwarzen Anzug keine Sekunde aus den Augen.
»Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?«, fuhr er sein Gegenüber an, einen athletischen Mann in Jeans und Pullover, der sich von dem Ausbruch unbeeindruckt zeigte.
»Vielleicht mehr als Sie, Monsignore«, gab er tonlos zurück, beugte sich vor und legte die Hand demonstrativ auf die Schachtel. »Ich habe der Kirche einen großen Dienst erwiesen, und Sie beschweren sich?«
»Ach was«, winkte der Geistliche unwirsch ab, »mir geht es nicht um den Einbruch, da kann ich Ihre Überlegungen sehr gut nachvollziehen und gutheißen. Mir geht es um diesen Zettel mit Sinas Handschrift! Unnötig, unüberlegt und kindisch. Die Schachtel mit den Negativen und den Abzügen mitzunehmen, das ist eine Sache. Aber dann gleich eine offene Provokation…«
»Vielleicht ist Ihnen die Vorgeschichte nicht geläufig, ich weiß nicht, wie weit Sie die Erzdiözese ins Vertrauen gezogen hat«, unterbrach ihn der Besucher, »aber lassen Sie mich eines feststellen. Ich habe nun fast ein Jahr lang recherchiert. Als ich das erste Mal in der roten Gruft unter dem Rennweg, vor dem Palais Metternich stand, war ich im Auftrag eines Teils der österreichischen Regierung unterwegs. Es ging damals darum, Wagner, Sina, Goldmann, Burghardt und Berner aus dem Verkehr zu ziehen, sie verschwinden zu lassen, was leider gründlich misslang. Wir bekamen zwar die Dokumente, die wir uns erhofften, aber im Endeffekt gewannen doch die anderen das Spiel.«
Er stand auf und ging zu einem der großen Fenster des Büros, blickte über den Innenhof auf den Turm des Stephansdoms, der wegen Steinmetzarbeiten an der Außenfassade eingerüstet war. »Wäre es möglich, dass die gesamte katholische Kirche eine Renovierung vonnöten hat?«, murmelte er und fuhr dann laut fort. »Die diskreten, aber äußerst effektiven Säuberungen nach dem Skandal um die Metternich-Papiere und die Senfgasgranaten hatten zur Folge, dass ich plötzlich eine Menge Zeit hatte, um mich für das Leben jenes Mannes zu interessieren, der unter dem Rennweg begraben worden war: Balthasar Jauerling, der Leiter des Schwarzen Bureaus.« Er drehte sich um und schaute dem Geistlichen in die Augen. »Eine faszinierende Persönlichkeit, glauben Sie mir, Monsignore. Und just über den Nachlass dieses Mannes hat Professor Sina beim Wissenschaftsfonds ein Forschungsprojekt eingereicht. Wussten Sie das? Fleißig, wie er nun mal ist, hat er schon mit der Arbeit begonnen.« Er kicherte verhalten. »Die Zeit des Aktenstudiums ist vorbei. Jetzt geht es ins Feld, um das Gelesene einer wissenschaftlichen Überprüfung zu unterziehen. Sie wissen, was das für Sie bedeuten kann?«
Der Mann im schwarzen Anzug nickte ungeduldig. Seine Finger trommelten noch immer auf den Ledereinband der Heiligen Schrift. »Kommen Sie zur Sache.«
»Ich bin bereits mittendrin«, lächelte sein Besucher dünn. »Als… gewisse kirchliche Stellen an mich herantraten, um sich meiner Dienste zu versichern, hatte die Erzdiözese erkannt, dass von diesem geheimnisvollen roten Raum unter dem Rennweg eine Gefahr ausging, eine elementare Gefahr.« Er trat an den Schreibtisch, stützte sich mit beiden Händen ab, lehnte sich nach vorne, bis sein Gesicht nur mehr ein paar Zentimeter von den blassen Zügen des Geistlichen entfernt war. »Und von seinem toten Bewohner, den Sie so lange unterschätzt hatten. Was denken Sie, wird alles in den Notizen dieses Zwerges stehen? Wohin wird seine Spur den Professor führen? Etwa an den Ort, der niemals gefunden werden darf? Den es in Ihrer Welt gar nicht gibt? Entfesselt dieser Zwerg nach zweihundert Jahren doch noch die Götterdämmerung?«
»Wir hatten keine Ahnung von der Gruft«, verteidigte sich der Geistliche, »und wir konnten nichts mehr gegen die Veröffentlichung unternehmen, nachdem die Polizei den Fall in die Hand genommen hatte. Nach Abschluss der Untersuchungen wurde die sofortige Versiegelung des Raums
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