Teufel - Thriller
Wochenenden im Haus der Sinas verbracht, bevor der Kontakt zu Georgs Eltern spärlicher geworden war. Das Geheimnis der beiden Kaiser und die Ereignisse des letzten Jahres hatten jedoch dafür gesorgt, dass Wagner und Sina senior sich wieder öfter sahen.
»Geht es um den Einbruch im Museum für Völkerkunde?«, fragte Paul und genoss den Moment der Verblüffung, die sein Gesprächspartner gar nicht zu verbergen versuchte. »Wir wissen beide, dass Georg nicht der Typ dafür ist, oder?«
»Das ist mir auch klar«, gab Dr. Sina unwirsch zurück, »und ich möchte jetzt gar nicht wissen, woher du das mit dem Einbruch erfahren hast. Nein, ich wollte Georg fragen, ob er uns vielleicht weiterhelfen kann. Möglicherweise erinnert er sich, bei welcher Gelegenheit er den Zettel geschrieben hat, der im Museum zurückblieb.«
»Tut mir leid, aber ich habe ihn seit einer Woche nicht mehr gesprochen«, antwortete Paul und sah aus den Augenwinkeln, wie Berner und Burghardt mit den Polizisten und der aufgeregten Frau in einem niedrigen, weiß gekalkten Haus verschwanden. »Ich muss jetzt los, hier tobt das Leben und die Arbeit ruft. Bis dann!«
Der Reporter beendete das Gespräch und stürzte Berner und Burghardt hinterher. Die Tür zu dem kleinen Bauernhaus stand weit offen, und Wagner folgte dem Stimmengewirr durch das Halbdunkel eines verwinkelten Vorraums, in dem es nach muffiger und abgestandener Luft roch. Dann bog er um die Ecke und stolperte fast in Burghardt hinein, der versuchte, die alte Frau zu beruhigen, die leise vor sich hin schluchzte.
Berner kniete im Licht einer einsamen Glühbirne neben dem leblosen Körper eines alten, abgezehrten, glatzköpfigen Mannes. Der Boden der Küche war eine einzige riesige Blutlache mit einigen Inseln. Auf einer der trockenen Stellen lag ein großes Messer mit Holzgriff.
Paul hörte die Polizisten aufgeregt telefonieren, lauschte der beruhigenden Stimme Burghardts und sah die gerunzelte Stirn Berners, der die Handgelenke des Toten untersuchte. Er drehte sich um, weil er den Eindruck hatte, hinter ihm stünde noch jemand. Doch er hatte sich offenbar getäuscht, der Flur war leer, nur ein kalter Windhauch durch die offene Eingangstür ließ das verstaubte Bukett an Trockenblumen rascheln, das am Fensterbrett stand.
Nach einem letzten Blick auf den Toten trat der Reporter zu Burghardt, der inzwischen die Frau beruhigt hatte und sie befragte. Paul zog einen Notizblock aus der Tasche und begann mitzuschreiben.
Keiner der im Raum Anwesenden konnte ahnen, dass mit den drei Toten in dem kleinen Ort an der Grenze eine abenteuerliche Jagd nach einer zweitausend Jahre alten Legende beginnen sollte.
An ihrem Ende würde das christliche Abendland nicht mehr das sein, was es einmal war.
Der zweite Kreis –
ICH KAM ZUM ORT ,
WO JEDES LICHT VERSTUMMT E
26.5.2010
Blutgasse, Innere Stadt, Wien/Österreich
D ie 6.30-Uhr-Messe in St. Stephan war soeben zu Ende gegangen, und ein paar Dutzend Gläubige strömten aus dem Riesentor, dem wuchtigen romanischen Hauptportal der Kathedrale, auf den fast leeren Platz vor Wiens geschichtsträchtigstem Dom. Die Touristen lagen noch im Tiefschlaf, die Fiaker wurden erst auf Hochglanz gebracht, und selbst die kostümierten Keiler der Konzertveranstalter glänzten durch Abwesenheit. In den Straßen war es ruhig, nur ein Wagen der Straßenreinigung spritzte mit einem Hochdruckstrahl den nächtlichen Schmutz aus der Fußgängerzone in die Kanäle. Als er aus der unebenen Blutgasse in die Domgasse abbog, hinterließ er ein wogendes Meer nasser Pflastersteine.
Das Blutgassenviertel, direkt hinter der berühmten Kathedrale gelegen, bestand aus einigen Höfen mit verwinkelten Durchgängen und war von engen Gassen durchzogen. Steile Treppen führten in die manchmal drei Stockwerke tiefen Keller, von denen einige bereits im 13. Jahrhundert angelegt worden waren. Nicht nur bei den vielen Besuchern der österreichischen Hauptstadt, sondern auch bei etlichen Einheimischen hatte das Blutgassenviertel den Ruf, vielleicht der romantischste Stadtteil Wiens zu sein. Sicher ist, dass es einer der geschichtsträchtigsten war. Zwischen Deutschordenskirche, Stephansdom und der Schönlaterngasse mit ihrem legendären Basilisken, einem drachenähnlichen Monster mit versteinerndem Blick, schlug schon immer das katholische Herz Wiens.
Der Mann, der hinter dem reich intarsierten barocken Schreibtisch saß, trommelte mit seinen Fingern ungeduldig auf eine ledergebundene
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