Teufel - Thriller
vorstellen? Der Advokat des Teufels, Kardinal Paolo Bertucci.«
Diese Vorstellung verfehlte ihre Wirkung nie, auch nicht auf den jungen Mann aus Deutschland. Die Enttäuschung machte einem Interesse Platz, das Bertucci nur allzu gut kannte.
»Sehr erfreut, Reinhard Ostler. Ich wusste nicht, dass der Teufel eine Vertretung im Vatikan hat!« Der Händedruck des jungen Mannes war fest, und seine Augen musterten den agilen, alten Mann vor ihm mit Respekt.
»Seit 1587«, lächelte Bertucci. »Mein offizieller Titel ist › Promotor Fidei ‹ , was so viel wie Förderer des Glaubens heißt. Ich sorge vor allem dafür, dass die endlose Liste der Heiligen und Seligen der katholischen Kirche nicht noch länger wird und sich keine Unwürdigen darunter mischen…«
»Halten Sie dabei Rücksprache mit Ihrem Auftraggeber?«, fragte Ostler mit einem ironischen Augenzwinkern.
Bertucci war angenehm überrascht. Endlich ein Interview, das etwas Abwechslung versprach. »Von Zeit zu Zeit, aber manchmal ist er etwas schwierig zu erreichen. Da hat es mein Gegenspieler, der Advocatus Angeli, der Anwalt der Engel, etwas einfacher.« Bertucci stellte seine Aktentasche ab, wies mit ausgestreckter Hand auf einen der zahlreichen Besuchersessel und wartete, bis Ostler Platz genommen hatte. »Im Verständnis der katholischen Kirche sind die Heiligen Mittler zwischen Gott und den Menschen. Sie stehen Gott näher als andere. Das wollten die Menschen schon immer und es hat dazu geführt, dass es in der Zwischenzeit eine unübersehbare Anzahl von Heiligen gibt. Von den meisten haben weder Sie noch ich jemals gehört. Ich darf Sie erinnern, dass das »Martyrologium Romanum« 2004 zum letzten Mal aktualisiert wurde. Es führt 6650 Heilige und Selige auf, plus rund 7400 Märtyrer. Eine Kleinstadt voller Menschen mit Heiligenschein.«
Ostler lachte und machte sich eifrig Notizen, während Bertucci fortfuhr.
»Aber selbst diese Liste ist unvollständig. Es ist unmöglich, eine genaue Zahl festzustellen, weil etwa im frühen Mittelalter de facto das Volk für sich entschied, wen es für heilig hält. Die Heiligenverehrung sah damals so aus, dass die Gemeinde am Grab des oder der Heiligen die heilige Person um Fürsprache bei Gott bat. Um die Sache zu vereinfachen, wurden die heiligen Gebeine dann nach und nach in die Kirchen umgebettet. Die frühe Kirche aber wiederum war den Heiligen gegenüber misstrauisch, weil sie eine Konkurrenz zur Christusverehrung gewittert hat und deshalb an genauen Aufzeichnungen gar nicht interessiert war. Ein Monopol des Papstes gibt es in der Heiligsprechung erst seit 1171.«
»Und wie bekomme ich heute den Heiligenschein?«, setzte Ostler nach.
»Beste Voraussetzungen dafür sind, dass Sie nicht nur ein gottgefälliges Leben im Sinne der katholischen Kirche geführt haben, sondern zudem einen reichen Fürsprecher haben oder sterben, nachdem Sie zwei Wunder gewirkt haben«, gab Bertucci trocken zurück. »Seit dem Tod der Person sollten bis zur Selig- oder Heiligsprechung fünf Jahre vergangen sein. Ausnahmen sind möglich, bei Mutter Teresa ging es schneller. Außerdem muss die Person zwei Wunder gewirkt haben. Das erste Wunder wird bei Antragstellung vorgelegt, Wunder Nummer zwei darf nachgereicht werden.« Der Geistliche war in seinem Element, und Ostler hütete sich, ihn zu unterbrechen. »Laien dürfen zwar Vorschläge machen, letztlich muss die Initiative aber von einem Bistum oder einem Orden ausgehen. So etwas überlegt sich ein Bistum mindestens zweimal, denn die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, im Durchschnitt etwa 250000 Euro.«
Der Journalist pfiff beeindruckt durch die Zähne, während er mitschrieb. »Und der Teufel hilft der Kirche sparen?«
»Im Grunde schon, aber wenn ich ins Spiel komme, ist bereits eine Menge Geld ausgegeben worden. Bei der Kongregation hier im Vatikan wird eine Art Prozess geführt, bei dem man Dokumente studiert, Zeugen vernimmt und Gutachten einholt. Diese Kongregation besteht aus 23 Kardinälen, Bischöfen und Erzbischöfen, 71 Beratern und 83 Gutachtern. Da versteht man, dass es teuer ist, Heiliger zu werden.« Bertucci lächelte. »Zwei Drittel der Anträge wurden in den letzten Jahrzehnten positiv entschieden, in jedem dritten Fall habe ich gesiegt. Das letzte Wort aber hat immer noch der Papst.«
Wie auf ein Stichwort hin öffnete sich die Tür und der Heilige Vater erschien, in Begleitung zweier Männer, die Bertucci sofort erkannte. Scaglietti und
Weitere Kostenlose Bücher