Teufel - Thriller
den Klingelknopf neben dem unleserlichen Namensschild, und irgendwo im Hausinneren ertönte ein Summer. Dann kamen schlurfende Schritte näher, untermalt vom Klicken eines Stockes auf den Steinplatten der Einfahrt.
Als das Tor aufschwang, stand da der alte Mann und schaute ihnen neugierig entgegen. »Ach, Sie sind das!«, krächzte er und musterte Burghardt und Berner. »Schon fertig mit der Arbeit?« Dann streckte er seinen Kopf vor, um Wagner besser sehen zu können. »Ein Freund von Ihnen? Kommen Sie auch aus Wien?«
»Kriminalpolizei«, unterbrach ihn Burghardt ungeduldig und hielt ihm seinen Ausweis unter die Nase. »Bei mir wurde eingebrochen, und wir haben ein paar Fragen an Sie.«
»Sie sind von der Polizei? Schau, schau…« Seine listigen Augen irrten unruhig von einem zum anderen. »Eingebrochen wurde bei Ihnen? Fehlen Ihnen ein paar alte Flaschen?« Der Alte kicherte. Dann stieß er mit seinem Stock ungeduldig auf den Boden. »Warum kommen Sie dann zu mir?«
Berner beugte sich vor. »Fragestunde beendet«, entschied er. »Wir können uns auch gerne im Kommissariat unterhalten, wenn Sie wollen. Mir ist es gleich.« Damit drehte er sich um und rief über seine Schulter zurück: »Burgi, nimm ihn mit.«
»Schon in Ordnung«, krächzte der Alte beschwichtigend, »kommen Sie rein, da können wir in Ruhe reden.« Er drehte sich abrupt um, ging voran und ließ das Tor einfach offen stehen.
Paul drückte den schweren Flügel wieder zu, bevor er Berner und Burghardt über den schmalen Hof folgte. Er hörte nicht mehr, dass draußen auf der Straße die blaue Volvo-Limousine vorfuhr und anhielt.
Lange Zeit geschah gar nichts.
Der Motor lief, der Fahrer telefonierte.
Dann schwangen die Türen auf, alle vier Männer stiegen wie auf ein Kommando gleichzeitig aus und sahen sich um.
Juli 325 n. Chr., Nicäa/Provinz Bithynien, Römisches Reich
D ie Wellen des Ascaniasees klatschten gegen die hohen Kaimauern des kaiserlichen Palastes am Ostufer und ließen die an den Pfählen vertäuten Schiffe und Kähne in einem ganz eigenen Rhythmus tanzen. Darüber schossen Möwen und Sturmvögel laut kreischend durch die Luft. Das offene Meer war nah und die Hauptstadt Konstantinopel kaum eine halbe Tagesreise entfernt.
Es roch nach den Blüten und Früchten der kaiserlichen Gärten. In der drückenden Hitze war der See ein wahrer Segen. Die Gärten an seinem Ufer waren geradezu ein Paradies, in dem Früchte und exotische Pflanzen im Überfluss wuchsen. Nicäa war eine Oase der Fruchtbarkeit inmitten einer unwirtlichen Gegend.
In den Sälen der kaiserlichen Residenz fand seit zwei Tagen ein Festbankett statt, das seinesgleichen suchte. Musiker und Komödianten unterhielten über zweitausend erlauchte Gäste, von denen einige weite und beschwerliche Reisen auf sich genommen hatten, um der Einladung nach Nicäa Folge zu leisten. Die Tafel bog sich unter den erlesensten Speisen und Getränken. Kaiser Konstantin feierte den zwanzigsten Jahrestag seiner Thronbesteigung. Aber das war nicht der einzige Anlass für das Fest. Konstantin war es gelungen, den Frieden innerhalb seines Reiches wiederherzustellen und die Christen endlich wieder mit einer Stimme sprechen zu lassen, so wie er es geplant hatte.
Der Erzdiakon Athanasius von Alexandria hatte die Runde der Feiernden verlassen und war, einen Kelch mit Gewürzwein in der Hand, durch die Gärten ans Ufer des Sees spaziert. Nun stand er am Wasser und genoss den Sonnenuntergang, der den See in eine glühende Lache geschmolzenen Silbers verwandelt hatte. Athanasius war noch jung, keine dreißig Jahre alt. Sein scharf geschnittenes, bartloses Gesicht und sein kurzes dunkles Haar unterstrichen diese Jugend noch, verliehen ihm ein bubenhaftes Aussehen. Er trug eine weiße Dalmatik mit weiten Ärmeln, die seinen asketischen Körper verbarg. Athanasius war klein, seine Haut dunkel, seine Bewegungen manchmal eckig und abgehackt. Grund genug für seine Feinde, ihn »Homunculus«, das »Menschlein«, zu nennen. Aber er war in den vergangenen Tagen wiederholt über sich hinausgewachsen und hatte damit die Spötter schnell zum Verstummen gebracht.
Der Erzdiakon nahm einen Schluck und betrachtete nachdenklich den Horizont. Die Sonne sank immer tiefer, und gegen das orange Licht, das in der blauen Abendluft zu zerfließen schien, zeichneten sich nach und nach die Linien eines kleinen Kriegsschiffes ab, das sich rasch näherte. Das Segel war eingeholt, aber schon bald hörte Athanasius die
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