Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
zog ihn am Halsband hartnäckig zum Untersuchungszimmer. Bello wurde kalt ums Herz.
Was wollen die von mir? dachte er argwöhnisch. Meine Seite ist doch verheilt. Ich verstehe das nicht.
Mit den Pfoten über das glatte Parkett schleifend, wurde er ins Untersuchungszimmer gezerrt. Hier bestürzte ihn die nie gesehene Beleuchtung. Die große weiße Kugel an der Decke strahlte so gleißend, daß es in die Augen schnitt. In dem weißen Glanz stand der Opferpriester und trällerte von den heiligen Ufern des Nils. Nur an einem sehr schwachen Geruch erkannte der Hund, daß es der Professor war. Die kurzgeschnittenen grauen Haare waren unter einer weißen Kappe verschwunden, die an eine Patriarchenhaube erinnerte; die Gottheit war ganz in Weiß, und darüber trug er eine schmale Gummischürze wie ein Epitrachelion. Die Hände steckten in schwarzen Handschuhen.
Auch der Gebissene trug eine weiße Kappe. Der lange Tisch war auseinandergeklappt, und an der Seite war ein viereckiges Tischchen mit blankem Fuß herangerückt.
Der Hund haßte auf einmal am meisten den Gebissenen, vor allem wegen seiner jetzigen Augen. Sonst kühn und offen, huschten sie heute nach allen Seiten und mieden den Blick des Hundes. Sie waren mißtrauisch und falsch, und in ihrer Tiefe barg sich etwas Ungutes, ein schurkisches Vorhaben, wenn nicht ein Verbrechen. Der Hund warf ihm einen schweren und finsteren Blick zu und verzog sich in einen Winkel.
»Das Halsband, Sina«, sagte der Professor halblaut, »aber rege ihn nicht auf.«
Sogleich hatte Sina genauso gemeine Augen wie der Gebissene. Sie kam zu Bello und streichelte ihn mit falscher Freundlichkeit. Er sah sie mit Wehmut und Verachtung an.
Na … ihr seid drei. Nehmt mich, wenn ihr wollt. Aber schämt euch was. Wenn ich bloß wüßte, was ihr mit mir vorhabt.
Sina löste das Halsband, der Hund schüttelte den Kopf und schnaubte. Der Gebissene stand vor ihm und verströmte einen scheußlichen, benebelnden Geruch.
Pfui, ekelhaft … Wovon ist mir bloß so trüb und ängstlich? dachte der Hund und wich vor dem Gebissenen zurück.
»Schnell, Doktor«, sagte der Professor ungeduldig.
Ein scharfer, süßlicher Geruch hing in der Luft. Der Gebissene, ohne den argwöhnischen Lumpenblick von dem Hund zu lassen, brachte die rechte Hand hinterm Rücken hervor und stieß dem Hund einen feuchten Wattebausch gegen die Nase. Bello erschrak, in seinem Kopf drehte es sich sacht, aber er konnte noch zurückspringen. Der Gebissene eilte ihm nach und verklebte ihm die ganze Schnauze mit der Watte. Bello verschlug es den Atem, aber er riß sich noch einmal los. Gemeiner Kerl, durchzuckte es ihn. Wofür? Wieder kam die Watte. Auf einmal war mitten im Untersuchungszimmer ein See mit Booten, darin saßen fröhlich nie gesehene rosa Hunde aus dem Jenseits. In Bellos Beinen waren keine Knochen mehr, sie knickten weg.
»Auf den Tisch!« plumpsten irgendwo vergnügt die Worte des Professors und zerflossen zu rosa Strömen. Das Entsetzen wich und wurde von Freude abgelöst. Zwei Sekunden lang liebte der verlöschende Hund den Gebissenen. Dann kehrte sich die ganze Welt mit dem Untersten zuoberst, und er spürte noch eine kalte, aber angenehme Hand am Bauch. Dann war gar nichts mehr.
Auf dem schmalen Operationstisch lag ausgebreitet der Hund Bello, und sein Kopf pochte hilflos gegen das weiße Wachstuchkissen. Sein Bauch war kahlrasiert, und jetzt fuhr Doktor Bormental, schwer atmend, mit dem Maschinchen in das Kopffell. Der Professor, beide Hände auf der Tischkante, beobachtete mit blitzender Goldbrille die Prozedur und sagte aufgeregt:
»Iwan Arnoldowitsch, der wichtigste Moment ist, wenn ich in den Türkensattel hineingehe. Ich bitte Sie, geben Sie mir dann sofort die Hypophyse, und gleich vernähen. Wenn da eine Blutung einsetzt, verlieren wir Zeit und auch den Hund. Im übrigen hat er sowieso keine Chance.« Der Professor schwieg, kniff die Augen ein, warf einen Blick auf das gleichsam spöttisch halbgeschlossene Auge des Hundes und fügte hinzu: »Wissen Sie, er tut mir leid. Stellen Sie sich vor, ich habe mich an ihn gewöhnt.«
Dabei hob er die Hände, als wollte er den unglücklichen Hund Bello für eine große Tat segnen. Auf seine schwarzen Gummihandschuhe durfte kein Stäubchen fallen.
Die kahlgeschorene Haut des Hundes schimmerte hell. Bormental legte das Maschinchen weg und nahm das Rasiermesser. Er seifte den hilflosen kleinen Kopf ein, dann begann er zu rasieren. Unter der Klinge knirschte
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