Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Genosse?«
»Filipp Filippowitsch heiße ich!« schrie der Professor gereizt. »Ich bin nicht Ihr Genosse! Das ist ja ungeheuerlich.« Ein Alptraum, ein Alptraum, dachte er.
»Aber gewiß doch«, sagte der Mann ironisch und setzte siegesbewußt einen Fuß vor. »Wir verstehen bittschön. Wie können wir Ihre Genossen sein! Woher denn! Wir haben nicht auf Universitäten studiert, wir haben nicht in Wohnungen mit fünfzehn Zimmern nebst Badezimmer gelebt. Aber jetzt ist höchste Zeit, daß das aufhört. Heutzutage hat jeder Mensch das Recht …«
Der Professor lauschte erbleichend den Erörterungen des Menschen. Der unterbrach seine Rede und ging demonstrativ mit seiner zerkauten Papirossa zum Aschbecher. Sein Gang war watschelnd. Umständlich drückte er den Stummel in der Schale aus, und seine Miene schien zu sagen: Da! Da! Dann ging er zurück, knackte plötzlich mit den Zähnen und schob die Nase unter die Achsel.
»Mit den Fingern fängt man Flöhe! Mit den Fingern!« schrie der Professor wütend. »Ich verstehe überhaupt nicht, wo Sie die immer auflesen.«
»Was weiß ich, zücht ich sie etwa?« sagte der Mann beleidigt. »Die Flöhe mögen mich wohl.« Er tastete mit den Fingern im Ärmelfutter umher und ließ ein Flöckchen gelbliche Polsterwatte fliegen.
Der Professor blickte zu den Stuckgirlanden an der Decke und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Der Mensch hatte den Floh hingerichtet und setzte sich auf einen Stuhl. Dabei ließ er die Hände vor den Jackettrevers von den angewinkelten Armen herabbaumeln. Seine Augen schielten zu den Parkettriemen. Er beschaute mit großem Vergnügen seine Schuhe. Der Professor blickte auch zu den stumpfen Schuhspitzen, auf denen scharfe Lichtflecke blitzten, kniff die Augen schmal und sagte:
»Was für eine Angele genheit wollten Sie mir vortragen?«
»Was für eine Angelegenheit? Eine ganz einfache. Filipp Filippowitsch, ich brauch ein Dokument.«
Dem Professor gab es einen Ruck.
»Hm … Verdammt! Ein Dokument! Wirklich … Ähem … Vielleicht geht es irgendwie auch ohne …« Seine Stimme klang unsicher und wehmütig.
»Aber erlauben Sie«, antwortete der Mensch selbstsicher, »wie soll das gehn ohne Dokument? Ich muß doch sehr bitten. Sie wissen selber, einem Menschen ohne Dokument ist es streng verboten zu existieren. Erstens das Hauskomitee …«
»Was hat das Hauskomitee damit zu tun?«
»Das fragen Sie noch? Jedesmal, wenn sie mich treffen, fragen sie mich: Wann läßt du dich endlich eintragen, Verehrtester?«
»Ach du lieber Gott«, rief der Professor verzagt, »sie fragen … Ich kann mir denken, was Sie denen antworten. Dabei habe ich Ihnen verboten, sich im Treppenhaus herumzutreiben.«
»Was denn, bin ich ein Häftling?« fragte der Mensch verwundert, und das Bewußtsein, im Recht zu sein, glühte sogar aus seinem Rubin. »Was heißt hier herumtreiben? Ihre Worte kränken mich. Ich gehe, wie alle Menschen.«
Dabei schlenkerte er mit den lackierten Füßen übers Parkett.
Der Professor verstummte und blickte zur Seite. Ich muß mich beherrschen, dachte er, trat zum Büfett und stürzte ein Glas Wasser hinunter.
»Ausgezeichnet«, sagte er ganz ruhig, »es geht nicht um Worte. Also, was sagt Ihr großartiges Hauskomitee?«
»Was soll es schon sagen … Sie brauchen es gar nicht als großartig beschimpfen. Es verteidigt die Interessen.«
»Wessen Interessen, wenn ich fragen darf?«
»Ist doch klar, die des werktätigen Elements.«
Der Professor riß die Augen auf.
»Wieso sind Sie ein Werktätiger?«
»Ist doch klar, ich bin kein NÖP-Schieber.«
»Na schön. Also, was benötigt es zum Schutz Ihrer revolutionären Interessen?«
»Ist doch klar – angemeldet muß ich werden. Die sagen, es wär noch nie dagewesen, daß ein Mensch unangemeldet in Moskau lebt. Das zum ersten. Aber das wichtigste – die Erfassungskarte. Ich will ja kein Deserteur sein. Und dann die Gewerkschaft, das Arbeitsamt …«
»Erlauben Sie mir die Frage, womit soll ich Sie anmelden? Mit dem Tischtuch hier oder mit meinem Paß? Wir müssen doch die Situation berücksichtigen! Vergessen Sie nicht, daß Sie … äh … hm … Sie sind sozusagen ein plötzlich vorhandenes Wesen, aus dem Labor.« Der Professor wurde immer unsicherer.
Der Mensch schwieg siegesbewußt.
»Ausgezeichnet. Was ist denn letzten Endes erforderlich, um Sie anzumelden und überhaupt alles nach dem Plan Ihres Hauskomitees einzurichten? Sie haben doch weder Vor- noch
Weitere Kostenlose Bücher