Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Reaktion.
»Dieser Club war ziemlich berüchtigt, aber damals dürftest du in einem Alter gewesen sein, in dem du noch für Dinosaurier geschwärmt hast. Das Verbot ist schon ein paar Jahre her, doch ich habe das Gefühl, du weißt darüber sehr gut Bescheid.«
»Wie kommen Sie drauf?«
»Weil Lutz Wehner laut meinen Kollegen diesen typischen charismatischen Charakter hat. Leitwolf, Gruppenführer, nenn es, wie du magst. Aber offenbar hat er genügend Macht über andere, um sie zu Dingen zu verleiten, auf die sie von selbst nicht kommen würden. Oder willst du mir erzählen, nur weil du am Computer gerne rumballerst, wolltest du schon immer einen Menschen erschießen?«
»Nein!«, sagte Michael entrüstet und hob abwehrend die Hand.
»Na siehst du. Und ich gehe jede Wette ein, dass Lutz die alten Clubgeschichten glorifiziert, um einen neuen Zusammenhalt zu schaffen. Gruppendynamik, das Gleichschalten von individuellen Gedanken, solches Zeug. Hast du in der Schule nicht Die Welle gesehen oder so?«.
»Ja, glaub schon.«
»Ob Mutprobe oder Aufnahmeritus, er hat dich in seinen Bann gezogen, und du wurdest sein Werkzeug, ob es dir gefällt oder nicht.«
»Ich bin niemandes Werkzeug!«
»Stimmt. Du bist rechtzeitig aufgewacht, das war dein Glück. Hoffen wir, dass diese Pistole auftaucht und dich entlastet, sonst dürfte eine erfolgreiche Verurteilung von Lutz Wehner ziemlich schwierig werden«, schloss Julia.
Zwanzig Minuten später, die blauweißen Hinweisschilder kündeten die Ausfahrt an, setzte Julia Durant am Bad Homburger Kreuz den Blinker und ordnete sich rechts ein.
»Aufgeregt?«, fragte sie und drehte den Kopf zur Seite.
»Schon.« Michael zuckte leicht mit den Schultern.
»Das Polizeiaufgebot ist aber nicht schlecht, es sind mindestens sechs Kollegen der Spurensicherung zugange, und ein Streifenwagen dürfte auch vor Ort sein. Ich habe der Waffe oberste Priorität gegeben, das ist der Luxus, den man sich erlauben kann, wenn man es mit Tötungsdelikten zu tun hat.«
»Wie viele Mörder erwischen Sie denn?«
»Bei weitem nicht alle«, seufzte die Kommissarin. »Aber frag doch mal deinen Vater, wenn du dich für Polizeiarbeit interessierst. Unsere Statistik könnte schlechter sein.«
»Nee, schon gut«, winkte Michael ab.
»Ist nicht leicht mit einem erfolgreichen alten Herrn, stimmt’s?«
»Allerdings nicht.«
»Mein Vater ist Pfarrer«, fuhr Julia fort, »also auch nicht gerade eine wenig beachtete Persönlichkeit.« Das fragende Aufblitzen in Michaels Gesichtsausdruck registrierend, fügte sie rasch hinzu: »Evangelischer Pastor, kein Katholik.«
Michael grinste. »Ah, ich dachte schon … Na ja, kommt beides vor.«
»Nicht selten, das stimmt«, nickte die Kommissarin. »Das ist aber ein Männerproblem, an dem System werde ich mit Sicherheit nichts ändern. Jedenfalls wollte ich nur sagen, dass ein erfolgreicher Vater nicht das Leben lang eine Konkurrenz für seine Kinder darstellen muss. Im Gegenteil. Ich hoffe, dass ihr eure Schwierigkeiten in den Griff bekommt. Die Tatsache, dass du ihn ins Vertrauen gezogen hast, war jedenfalls ein mutiger Schritt von dir.«
»Hm.«
»Ich schlage vor, wir parken in der Nähe der Werbetafel und laufen dann den Weg ab. Oder hast du eine bessere Idee?«
»Nein, klingt okay. Sieht bei Tag alles ganz anders aus.«
»Deshalb suchen wir auch in Laufrichtung«, erklärte die Kommissarin. »Ich habe das Team zwar von der alten Autobahnauffahrt losgeschickt, weil du ja nach deiner Aussage die Waffe die meiste Zeit in der Hand gehalten hast. Aber wir beide gehen die Strecke von vorn. Mal sehen, wer schneller ist«, zwinkerte sie dann, »die Jungs haben eine halbe Stunde Vorsprung.«
Julia Durant schloss den Peugeot ab, zog eine Jeansjacke über und gewährte Michael den Vortritt. Dieser stutzte kurz, als er die Tatortmarkierungen sah, am Boden einen dunklen Fleck, der nichts anderes war als eine in den Asphalt gesickerte Blutlache, und darüber die riesige Werbetafel, auf der eine junge Familie breit lachend ihre perfekten Zahnreihen zeigte. Es hatte etwas Surreales. Michael fröstelte. Er war sich sicher, in die Luft gezielt zu haben, oder spielte ihm seine Erinnerung einen üblen Streich? Schon allein bei dem Gedanken, dass vor seinen Augen ein Mensch getötet worden war, wurde ihm übel.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte Julia sich und griff nach seinem Ellbogen.
»Ja, gehen wir«, gab er leise zurück und zog sich die Kapuze seines schwarzen
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