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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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Selbstbild ist.«
    »Es gibt solche Menschen wie mich«, sagte Cornelia, »die andere schützen, die andere lieben, die bereit sind, an ihren Werten zugrunde zu gehen. Die sind vielleicht selten, aber es gibt sie.«
    »Ich kann deinen Schmerz nachvollziehen, Cornelia. Auch deinen Neid und deine Enttäuschungswut. Ich kann dich wirklich verstehen. Aber du bist nicht an deinen Werten zugrunde gegangen, sondern an deiner Krankheit. Das ist bitter, und es fällt mir auch nicht leicht, das zu sagen. Aber es ist wahr.«
    »Dieses eiskalte Einfühlungsvermögen, das macht dich zu einem so sensiblen, erfolgreichen Psychiater. Es macht dich zu einem professionellen Arschloch.«
    Vosskamp sah auf die Armbanduhr und erhob sich. »Ich muss ein wichtiges Telefonat führen. Ich kann jetzt nicht länger mit dir reden. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich glaube, für heute haben wir uns genug gesagt.«
    Cornelia blieb sitzen.
    »Ihr habt mich alle nicht Connie genannt, weil ich kein Kind sein sollte. Eine Cornelia kann man hart rannehmen, aber eine Connie nicht. Warum hast du dich nie für mich eingesetzt? Auch später nicht, als du erwachsen warst? Warum hast du unsere Eltern nie zur Rede gestellt?«
    »Weil ich es vorziehe, in diesem Konflikt eine neutrale Position zu beziehen.«
    »Neutral?«, rief Cornelia. »Du bist mir gegenüber neutral? Nachdem ich dich großgezogen und beschützt und geliebt habe?«
    »Ich verstehe mich nach wie vor gut mit unseren Eltern. Warum soll ich sie in ihrem hohen Alter noch beunruhigen? Das wäre grausam, und sie würden es nicht mehr verstehen.«
    Cornelia sprang auf. »Wo bleibt denn deine Loyalität?«, schrie sie. Ihr Gesicht sah auf einmal wie eine Fratze aus vergilbtem Pappmaché aus.
    »Wieso Loyalität?«, fragte Vosskamp. »Ich bin doch nicht die Geisel deines Elends. Ich habe ein Recht auf ein eigenes Leben, und ich kann meine Beziehungen so gestalten, wie es gut für mich ist.«
    »Und was ist mit unserer Beziehung?«
    »Aber wir haben keine Beziehung. Wir sind zwei Erwachsene, die sich kaum kennen.«
    Cornelia schaute ihn an, ihr lippenloser Mund begann zu zittern, und sie sah plötzlich sehr müde aus.
    »Ach Bernd«, flüsterte sie, »stell dir einmal vor, nur ein einziges Mal, nicht ich, sondern du wärst verrückt. Es hätte dich genauso treffen können wie unsere Mutter oder mich.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht«, sagte Vosskamp.
    Sie legte ihre magere Hand an seine Wange und zog sie gleich wieder fort. Dann wandte sie sich ab und eilte aus dem Zimmer. Vosskamp sah ihren ausgebeulten Angorastrickrock und musste an das Nashorn aus dem Tierfilm denken, über das Cornelia und er als Kinder so gelacht hatten. Auf der Flucht vor der Kamera war das Nashorn durch die Büsche gebrochen und hatte von hinten überraschend schüchtern ausgesehen, als würde es sich für sein schweres, wackelndes Hinterteil genieren. Für einen Moment spürte Vosskamp den Impuls, seiner Schwester nachzulaufen und sie in den Arm zu nehmen. Aber dann besann er sich und rief seine Sekretärin an.
    »Frau Hoffmann? Bitte kümmern Sie sich um die Dame, die gerade aus meinem Büro gestürmt ist.«
    »Gehört sie auf die B?«, fragte Frau Hoffmann.
    »Nein, sie ist meine Schwester, Cornelia Vosskamp. Besorgen Sie ihr eine Fahrkarte nach Neustadt in Holstein. Erste Klasse. Dann rufen Sie die psychiatrische Klinik dort an und klären die Sache mit denen.«
    »Mache ich.«
    »Und kein Wort von all dem zu niemandem.«
    »Selbstverständlich, Herr Professor.«
    Er legte auf und wählte die Nummer von Wolff.
    »Hallo?«, meldete sich eine krächzende junge Männerstimme.
    »Hier Vosskamp«, sagte Vosskamp. »Wann können Sie liefern?«
    »Morgen.«
    »Abgemacht war heute.«
    »Aber Sie haben sich so spät gemeldet«, sagte Wolff, »und ab zwölf bin ich verplant. Das hatte ich doch gesagt.«
    »Na gut. Können Sie morgen um halb zehn?«
    »Ja. Und das Geld?«
    »Das geht selbstverständlich klar.«
    Der Geruch nach Cornelias Parfüm hing noch lange im Raum, und ein paarmal sah Vosskamp nach draußen und suchte den Park nach ihr ab. Vielleicht ist sie noch im Gebäude, dachte er.
    Es war schon nach eins, und er hatte noch nicht zu Mittag gegessen. Seufzend griff er zum Diktiergerät und nahm das Protokoll über seine Sitzung mit Beate Hofstedt auf.
    »Der Affekt ist von Traurigkeit, Angst und Sorge bestimmt. Zwangsgedanken nehmen zu. Kann den Verlust der Schwester nicht verarbeiten. Doxepin muss erhöht

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