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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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seinem Mund gehört.
    Ihm nahm er nicht übel, dass er gegen den Vorschlag gestimmt hatte. Er hatte es nicht anders erwartet.
    Bruder Arno allerdings bereitete ihm allmählich Kopfzerbrechen. Ende zwanzig, auf den ersten Blick eher hässlich, auf den zweiten jedoch auf eine verborgene, geradezu aufregende Weise attraktiv, eine Stimme wie Samt und mehr Charisma im kleinen Finger, als andere in einem ganzen Leben ausstrahlten. So einen hätte Vero gern auf seiner Seite gewusst.
    Aber Bruder Arno misstraute Hierarchien, lehnte die Notwendigkeit strikter Führung ab und palaverte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Dabei gehörte er als Mitglied der Bruderschaft doch selbst der Elite an, die einmal das Heft in die Hand nehmen würde.
    Arno war Künstler. Vielleicht lag es daran, dass er Mühe hatte, sich einzuordnen. Unterzuordnen. Seine Fotografien hatten eine Reihe wichtiger Kunstpreise abgeräumt. Sie wurden bundesweit ausgestellt, hatten mittlerweile auch das Interesse amerikanischer Galeristen geweckt und brachten der Gemeinschaft ein nicht zu verachtendes Zubrot ein.
    Jemand wie Arno, der eine zunehmend stärkere Rolle in der Öffentlichkeit spielen würde, war für die Bruderschaft von unschätzbarem Wert. Er stellte den Kontakt zur Kulturszene und zu den Medien her, und wenn sie dort erst Fuß gefasst hätten, wäre ihr Siegeszug nicht mehr aufzuhalten.
    Du kleiner Scheißer, dachte Vero, während er mit langen Schritten über die Flure eilte. Leg dich nur weiter mit mir an. Irgendwann werde ich dir die Rechnung dafür präsentieren und dann gnade dir Gott.
    Er war so aufgebracht, dass er am liebsten Kleinholz aus den kostbaren alten Möbeln gemacht hätte, die seinen Weg säumten. Reiß dich zusammen, befahl er sich selbst. Reiß dich zusammen, bis du allein bist.
    Seine Zeit würde kommen, und dann würde er sich diesen Judas vorknöpfen. Bis dahin musste er die Geduld behalten und Arno an der langen Leine laufen lassen.
    »Steh mir bei, Herr«, murmelte er. »Lass mich nicht scheitern an den Aufgaben, die du mir auferlegt hast.«
    Eine seiner Aufgaben war es, das Wort Gottes zu verkünden. Eine weitere bestand darin, neue Brüder und Schwestern für die Sache des Herrn zu gewinnen. Eine dritte verlangte von ihm, die Gläubigen zusammenzuhalten und Verirrte zurückzuholen. Und das mit allen Mitteln.
    Die schwerste Aufgabe jedoch war die Auseinandersetzung mit Satan. Dennoch würde er ihm die Stirn bieten, solange er noch einen Funken Kraft in sich spürte. Er würde um jede einzelne Seele mit ihm kämpfen.
     
    Calypso zog die Wohnungstür zu und ihm war zumute, als wäre es ein Abschied für immer. Etwas Neues hatte angefangen, und während er die Treppen hinunterlief, die vollgepackte Sporttasche über die Schulter gehängt, wurde ihm von Stufe zu Stufe leichter ums Herz.
    Eben noch hatte er mit seinem Vater telefoniert, der gerade darüber informiert worden war, dass Calypso die Ausbildung geschmissen hatte. Er hatte seinen Vater toben lassen, ohne ihn zu unterbrechen. Hatte den Hörer ein Stück vom Ohr abgehalten und sich vorgestellt, wie seinem Vater Schaum aus dem Mund trat.
    »WIE OFT HABE ICH DIR …«
    Ihm war aufgefallen, dass die Fenster geputzt werden mussten. Er hasste Fensterputzen. Aber er hasste auch blindes Glas.
    »WAS GLAUBST DU EIGENTLICH, WER DU BIST?«
    Er liebte den Blick in das Grün der Akazie, deren Krone bis zu seinem Erker reichte. Er liebte sogar den Blick auf ihre winterkahlen Äste.
    »JETZT IST ENDGÜLTIG SCHLUSS MIT …«
    Man müsste sich eine Putzfrau leisten können, dachte Calypso. Und dann fiel ihm ein, dass er demnächst vielleicht selbst eine Putzstelle brauchte, um seine Schauspielausbildung zu finanzieren. Der Unterricht war eigens so gelegt, dass den Schülern Nebenjobs möglich waren.
    »… KEINEN FUSS MEHR IN DIESES HAUS SETZEN, SOLANGE DU NICHT …«
    Calypso liebte alles hier. Das Zimmer, die Wohnung, das Haus. Helen und Tonja. Und vor allem das Mädchen unter dem Dach.
    »HÖRST DU? KEINEN MÜDEN CENT UND ER-WARTE BLOSS NICHT …«
    Seine Gedanken kehrten zu dem Mann zurück, der ihn  durchs Telefon anbrüllte. Dem er schon lange nichts mehr zu sagen hatte.
    »SCHMINK DIR DAS GEFÄLLIGST …«
    Ein feiner Schmerz meldete sich in Calypsos Magen, als er an seine Mutter dachte und an seine Schwester.
    »… ERST WENN DU ZUR BESINNUNG GEKOMMEN BIST!«
    Sie waren niemals solidarisch mit ihm gewesen. Sie hatten sich zu gehorsamen Schachfiguren des Hausherrn

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