Teufelsflut
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Er verließ das Zimmer und blickte in die weitläufige Eingangshalle. Sie war leer. Schnell überprüfte er alle Räume im Erdgeschoss. Ebenfalls leer. Dann schaute er hinauf zum Treppenabsatz im ersten Stock. Auch hier war niemand. Mit der Waffe in der Hand stieg er langsam die Treppe hinauf. Erst als er zwei Drittel des Aufstiegs hinter sich gebracht hatte, bemerkte er, dass im ersten Stock Trudy hinter einer Säule stand.
Sie hielt eine Pistole in der Hand.
Mit einem Gesicht so kalt und hart wie eine Maske aus Stein starrte sie Bancroft an. Normalerweise hätte er seine Waffe gehoben und sofort abgedrückt, aber die unerwartete Begegnung wirkte auf ihn wie ein Schock.
»Hallo, Trudy«, sagte er mit heiserer, aber ruhiger Stimme. »Was machen Sie denn hier?«
»Erinnern Sie sich noch an Walter Jewels Baron?«, sagte Trudy so leise, dass es fast nur ein Flüstern war.
»An wen?«
»Sie waren vor Jahren einmal in einer kleinen Stadt in Virginia. Bei zwei kleinen, etwas abseits stehenden Häusern am Ortsrand, um es genauer zu sagen. Dort sollten Sie Walt Baron töten, den Buchhalter von Unit Four. Erst haben Sie ihn freundlich begrüßt, und dann haben Sie ihm den Lauf Ihrer Waffe in den Mund gesteckt und ihm den halben Kopf weggeschossen. Ich war seine Frau. Und jetzt bin ich seine Witwe…«
Bancroft hob die Smith & Wesson, aber Trudy schoss zuerst. Sie traf ihn in die rechte Schulter. Bancroft ließ die Waffe fallen und klammerte sich mit der linken Hand ans Treppengeländer. Trudy drückte noch einmal ab. Diesmal traf sie Bancroft in den Unterleib. Vor Schmerz laut aufstöhnend, begann er zu taumeln, während Trudy in rascher Folge sechs weitere Kugeln in seinen zuckenden Körper jagte.
Mit weit ausgebreiteten Armen stürzte er rückwärts die Treppe hinunter und war bereits tot, als Tweed und die anderen an den Ort des Geschehens stürmten.
37
Newman fuhr den holprigen Weg vom Chateau de l’Air hinunter und hielt vor dem baufälligen Tor, durch das man hinaus auf die große Straße kam. Paula, die oben auf der Terrasse noch mit Marler gesprochen hatte, saß neben ihm, während die Rückbank wie üblich von Tweed und Trudy eingenommen wurde. Sie warteten darauf, dass die beiden anderen Wagen zu ihnen aufschlossen.
»Was haben Sie mit ihm gemacht?«, fragte Trudy.
»Wir haben ihn an einen Ort gebracht, wo ihn so schnell niemand finden wird«, sagte Tweed ruhig.
Mit »ihn« meinte Trudy den toten Bancroft. Marler hatte einen idealen Platz für seine Leiche gefunden, einen grasüberwachsenen Faulbehälter im hinteren Teil des Gartens. Butler hatte den Deckel angehoben und den Toten mit Nields Hilfe hineingeworfen. Paulas Meinung nach war diese letzte Ruhestätte für Bancroft durchaus angemessen.
»Von dem werden Sie nie wieder etwas hören«, sagte Tweed zu Trudy, die mit aschfahlem Gesicht neben ihm saß. Ihre Hände hatte sie gefaltet, damit Tweed nicht sah, wie sehr sie zitterten. Tweed griff in die kleine Leinentasche zu seinen Füßen und holte eine Thermosflasche, einen Löffel und Würfelzucker hervor. Er schraubte den Becher ab und goss dann heißen Tee hinein. Zur besseren Isolierung hatte Tweed die Thermoskanne zusätzlich in mehrere Tücher gewickelt. Nachdem er mehrere Stück Würfelzucker in den Tee gegeben und kräftig umgerührt hatte, reichte er Trudy das dampfende Gebräu.
»Hier, trinken Sie das«, sagte er. »Gesüßter Tee wirkt wahre Wunder, wenn man unter Schock steht.«
Trudy ergriff den Plastikbecher mit beiden Händen und führte ihn langsam zum Mund. Dabei zitterten ihre Hände so stark, dass Tweed ihr helfen musste. Erst nippte Trudy nur an dem Tee, dann trank sie in immer größeren Schlucken. Schließlich gab sie Tweed den leeren Becher zurück.
»Ah, jetzt fühle ich mich schon sehr viel besser«, sagte sie. »Vielen Dank.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie Tee dabeihaben«, sagte Paula. »Wo haben Sie den denn her?«
»Von diesem jungen Geschäftsführer im Les Corbieres. Er hat ihn für mich aufbrühen lassen und mir freundlicherweise sogar die Thermoskanne zur Verfügung gestellt. Für den Notfall ist heißer Tee immer gut.«
»Und jetzt bin ich dieser Notfall«, sagte Trudy mit einem schwachen Lächeln. »Könnte ich vielleicht noch etwas von Ihrem Zaubertrank für die eingebildete Kranke haben?«
Tweed goss ihr den Becher noch einmal voll und süßte ihn abermals mit mehreren Stücken Würfelzucker. Diesmal konnte Trudy den Becher schon ohne
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