Teufelsflut
stille Nebenstraße, in der eine einsame Telefonzelle stand. Dort wickelte er ein Taschentuch um die Sprechmuschel und rief mit verstellter Stimme im Polizeipräsidium an, wo er den Mord in Vallades Buchhandlung meldete. Als man ihn nach seinem Namen fragte, hängte er auf.
Auf der Fahrt zum Ritz erzählte er Tweed und Paula im Flüsterton von dem Anruf. Tweed nickte anerkennend, und Paula schien erleichtert zu sein. Der Gedanke daran, dass Vallades sterbliche Überreste womöglich noch länger unentdeckt in seinem Laden geblieben wären, hatte ihr großes Unbehagen bereitet.
Als sie die Hotelhalle betraten, warteten dort bereits Nield und Burgoyne auf sie, die an zwei verschiedenen Tischen saßen. Tweed ging zur Rezeption, um sich seinen Schlüssel geben zu lassen, und bedeutete den beiden mit einer Handbewegung, dass sie mit ihm in seine Suite kommen sollten. Marler zog seinen Mantel aus, legte ihn sich über den Arm und sah sich in der Halle um.
»Gibt es bei Ihnen etwas Neues?«, fragte Tweed, sobald sie oben waren.
»Und ob«, antwortete Nield.
Paula blickte hinüber zu Burgoyne, der mit einem Lächeln auf den Lippen zustimmend nickte. Newman ließ sich in einen Sessel fallen und zündete eine Zigarette an. Butler war direkt auf sein Zimmer gegangen.
»Die Amerikaner sind ganz massiv hier eingebrochen«, sagte Burgoyne.
»Sie wuseln überall im Hotel herum. Es scheint sogar ziemlich hochkarätiger Besuch darunter zu sein. Erzählen Sie doch weiter, Pete.«
»Meine erste Vermutung, dass jemand von Unit Four hier im Hotel sein könnte, war noch ziemlich vage«, begann Nield.
»Ich habe an der Rezeption einen gut angezogenen Amerikaner in einem teuren Geschäftsanzug gesehen, der eine Suite verlangt hat. Er hat sich unter dem Namen Brad Braun eingetragen.«
»Wie haben Sie das herausbekommen?«, fragte Tweed.
»Ganz einfach. Als ich gehört habe, dass der Mann mit einem amerikanischen Akzent sprach, habe ich mich unmittelbar hinter ihn gestellt und so getan, als wollte ich eine Auskunft haben. Dabei habe ich ihm über die Schulter geschaut und gesehen, wie er seinen Namen auf das Formular geschrieben hat. Danach ist er auf seine Suite gegangen, ist gleich darauf aber wieder heruntergekommen und hat sich im Speisesaal ein spätes Frühstück servieren lassen. Ich habe mich an den Nebentisch gesetzt und diesem Braun zugesehen, wie er seine Croissants aß und seinen Kaffee trank. Es hat nicht lange gedauert, bis ein zweiter Amerikaner gekommen ist, ein kleiner, dicker Kerl mit breiten Schultern und Händen wie Kohlenschaufeln. Der hat dauernd gegrinst und irgendwelche Spaße gemacht, aber ich habe ihm angesehen, dass er nur eine Show abgezogen hat. In Wirklichkeit hat er alle anderen Gäste im Speisesaal genau gemustert. Braun hat den Mann Bancroft genannt. Er scheint ein ziemlich harter Bursche zu sein.«
»Chance«, wandte Tweed sich an Burgoyne, »Sie haben vorhin von hochkarätigem Besuch gesprochen. Auf wen bezieht sich das?«
»Sitzen Sie auch gut? Ich spreche von niemand Geringerem als Vance Karnow, der rechten Hand des amerikanischen Präsidenten. Er ist mir gleich aufgefallen, weil ich einmal ein Bild von ihm in der Zeitung gesehen habe. Ein gut aussehender Mann.«
»Der kalt lächelnd seine Mutter verkaufen würde, wenn nur der Preis hoch genug ist«, ergänzte Nield.
»Ich frage mich, wer In seiner Abwesenheit das Oval Office managt«, sagte Tweed in Gedanken. »Soweit ich weiß, soll sich Karnow dort doch um alle kniffligen Angelegenheiten kümmern. Er sagt dem Präsidenten, wie er reagieren muss – oder wie er nicht reagieren darf.«
»Im Oval Office nehmen sie den Vorfall von Appledore offenbar sehr ernst«, sagte Burgoyne.
»Das tun sie mit Sicherheit«, antwortete Tweed. »Sonst würden sie wohl kaum einen Topmann wie Karnow nach Europa schicken.«
Vor der Abfahrt aus der Park Crescent hatte Tweed Burgoyne vertraulich über alle Aspekte der »Affäre Appledore« unterrichtet. Jetzt lehnte er sich in seinem Sessel zurück und sagte: »Ich muss mir etwas einfallen lassen, um die Franzosen und Amerikaner abzuschütteln. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo Goslar seine zentrale Basis hat. Der Gedanke ist nur bei meinem Gespräch mit Lasalle gekommen.«
»Und wo wäre das?«, fragte Burgoyne.
»Das möchte ich jetzt lieber noch nicht sagen. Ich könnte mich täuschen, und deshalb muss ich mir zuerst Gewissheit verschaffen. Wo befinden sich unsere Freunde von jenseits des Atlantiks im
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