Teufelsfrucht
mit einem süßlichen Colheita. Dann bekommst du ein halbwegs essbares Kompott zustande.«
Kieffer schnaufte ärgerlich. »Halbwegs essbar? Ist das dein Anspruch?«
»Mein Anspruch ist es, die Gäste zu begeistern, ferner die Tester und die Journaille. Und ein volles Reservierungsbuch ist mir ebenfalls wichtig, Xavier. Deshalb habe ich ein Geschäft ausgehandelt, um diese extravaganten Früchte regelmäßig zu bekommen. Und alle paar Monate bekomme ich neue Produkte, die so exotisch sind, dass du sie höchstens in einem halben Dutzend Restaurants auf der ganzen Welt bekommst. Das ist wahre Exklusivität.«
»Schon möglich. Aber ist es auch haute cuisine?«
»Ich sage ja. Du sagst nein. Spielt beides keine Rolle. Mal sehen, was die Gäste sagen.«
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8
Der Anblick des vertrauten kleinen Waldwegs, der von der Rue des Alliés zum »Renard Noir« führte, riss Kieffer aus seinen Gedanken. Er bremste ab und lenkte den Wagen auf den Feldweg. Auf dem abschüssigen Pfad konnte er die trockenen Äste unter den Reifen der Limousine knacken hören. Langsam bewegte er sich auf das noch hinter den dicht stehenden Bäumen verborgene Restaurant zu. Als sich das Geäst nach einigen Hundert Metern lichtete und den Blick auf das Waldschlösschen freigab, stieg Kieffer unwillkürlich auf die Bremse, sodass der schwere Mercedes ein Stück den Kiesweg hinunterschlitterte. Das Giebelwerk des »Renard« bestand nur noch aus einigen verkohlten Balken. Die zerborstenen Fenster waren rußgeschwärzt. Das einst so imposante Gebäude erinnerte ihn an eine Karkasse, an einen ausgeschlachteten Kapaun, von dem verfressene Gäste nur ein paar Knochen und die angesengte Hülle übrig gelassen hatten.
Nachdem Kieffer einige Zeit still dagesessen und zwei Zigaretten geraucht hatte, stieg er aus und lief auf das Gebäude zu. Ein Blick durch eines der mannshohen Fenster im Erdgeschoss bestätigte den Eindruck, der sich aus der Ferne geboten hatte: Das »Renard Noir« musste lichterloh in Flammen gestanden haben. Das einstmals extravagante Interieur hatte sich in eine Ansammlung aus verkohlten Louis-Möbeln, zu Asche zerfallenen Wandbaldachinen und zerbrochenem, rußverschmiertem Porzellan verwandelt. Zwischen den von der Decke herabgestürzten Balken und Ziegelsteinen lagen Silberbesteck und zerborstene Kristallschwenker verstreut.
Vor der Eingangstür bemerkte Kieffer einen gelben Plastikstreifen mit der Aufschrift »Police technique et scientifique – zone interdite«. Er ging um das Haus herum, um den Garten in Augenschein zu nehmen. Die Terrasse und der Anleger schienen unversehrt – abgesehen von einer Schicht aus Asche und Rußflocken, welche die weißen Gartengarnituren und die rosafarbenen Sonnenschirme zentimeterdick bedeckte. Es war sehr still.
Er entfernte das schmutzig feuchte Polster von einem der Stühle und setzte sich unter einen Gartenschirm. Ein Restaurantbrand war nichts Außergewöhnliches. Und wenn es sich um ein so abgelegenes Haus wie das »Renard« handelte, dann konnte man davon ausgehen, dass die Feuerwehr viel zu spät eintreffen würde. Nachdem er eine weitere Zigarette geraucht hatte, ging er erneut um das Gebäude herum und spähte durch die ausgebrannten Fenster. Er dachte nach. Trotzdem würde es eine Weile dauern, bis ein Gebäude dieser Größe lichterloh in Flammen stand und das Dach einstürzte. Das galt umso mehr für ein Bauwerk mit soliden Steinmauern. Das »Renard« musste also eine ganze Zeit gebrannt haben, ohne dass jemand versucht hatte zu löschen. Das wiederum setztevoraus, dass der Brand zu einer Zeit ausgebrochen war, als sich niemand im Restaurant befand, was eigentlich nur zwischen halb drei nachts und sieben Uhr morgens der Fall gewesen sein konnte.
Inzwischen hatte es angefangen zu regnen. Kieffer beschloss, in das etwas weiter südlich gelegene Saint-Martin-aux-Champs zu fahren. Dort hatte Boudier seine Wohnung. Als er die Auffahrt in Richtung seines Wagens hinaufschritt, kamen ihm ein Mann und eine Frau entgegen. Beide trugen dunkelblaue Windjacken mit einem weißen Querstreifen, die sie als Polizisten auswiesen. Sie kamen rasch auf ihn zu. »Guten Morgen, Monsieur, dies ist ein abgesperrter Tatort«, sagte die Frau und musterte den inzwischen bereits durchnässten Kieffer misstrauisch. »Ist das Ihr Fahrzeug?«
»Das ist ein Leihwagen. Ich bin mit Paul Boudier befreundet, dem Besitzer dieses Restaurants. Was ist hier passiert?« Statt ihm eine Antwort zu geben, sagte der
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