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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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dass es sich nicht um einen Ausdruck des Genusses handelte, sondern um einen Höflichkeitsschmatzer. »Köstlich, Xavier. Also, wenn man kalte Suppen mag, meine ich. Gazpacho ist mir allerdings lieber, die schmeckt fruchtiger. Das hier ist mir persönlich einen Tick zu sämig.«
    »Du findest sie grauenhaft.«
    »Stark verkürzt gesagt: ja.«
    Kieffer griff nach einem silbernen Töpfchen, das auf dem Tisch stand, und nahm den Deckel ab. Darunter verbarg sich ein dunkelbraunes Etwas von der Größe eines Golfballs.
    »Was ist das? Ein Trüffel?«
    »So was Ähnliches.« Kieffer ging um den Tisch herum und hobelte Vatanen mit einer kleinen Trüffelreibe hauchdünne Flocken der braunen Substanz auf die Suppe. »Jetzt kannst du noch mal probieren.«
    Gespannt beobachtete Kieffer Vatanens Gesicht, als der Finne mit zweifelnder Miene den Löffel in seinen Mund schob. Zunächst weiteten sich seine Augen vor Überraschung. Dann entglitten ihm die Gesichtszüge – sein Mund öffnete sich leicht, seine Unterlippe zitterte.
    »Sataan Helvetti! Das ist … was ist das?«
    »Ich habe keine Ahnung, Pekka. Ich nehme stark an, dass es eine Frucht ist, in der Tupperbox waren sechs faustgroße Stücke. Sie sind gelb und leicht faserig, irgendwo zwischen Mango und Ananas. In dem Fondbehälter war ein gelber Brei. Textur und Geschmacknach zu schließen, ist er wahrscheinlich aus den Früchten in der Box hergestellt worden.
    »Kann ich das Zeug mal sehen?«
    »Sicher, komm mit in die Küche.« Beim Aufstehen bemerkte Kieffer, dass Vatanens Teller komplett leer war.
    »So ist es mir bei den ersten zwei Tellern auch ergangen.«
    »Was?«
    »Du hast die Suppe heruntergestürzt wie in Trance. Ist dir das nicht aufgefallen?«
    »Nein, Xavier, ich … eigentlich mag ich keine Vichyssoise. Das ist die erste Suppe, die mir unheimlich ist.«
    Kurz darauf schaute sich Vatanen in Kieffers Küche die mysteriöse Frucht an. »Ich mache seit 15 Jahren EU -Agrarpolitik und war auch schon in Südamerika und Asien unterwegs, aber ich habe diese Frucht noch nie gesehen. Hast du davon keine ganze?«
    »Nein, nur das, was bei Boudier herumlag. Vielleicht war im Mülleimer die Schale, daran habe ich angesichts der Schläger vor der Tür leider nicht gedacht. Aber jetzt ist sie bestimmt weg. Ich würde wetten, die Typen haben alles mitgenommen.«
    Vatanen sah sich missbilligend in der Küche um. Alle Arbeitsflächen waren mit Küchenutensilien wie Messern, Pürierstäben und Mandolinen bedeckt, überall standen dreckige Schüsseln.
    »Ich denke, du hast noch zu? Sag mal, Xavier, seit wann werkelst du hier herum?«
    »Seit gestern früh. Ich koche seit gestern früh. Ich habe fast überhaupt nicht geschlafen.« Kieffer griff den einzigen Schemel, den es in der Küche gab, und setzte sich. »Ich habe alles mit dieser Frucht gemacht, Pekka.Ich habe sie gekocht, frittiert, mariniert – in Pasteten gebacken, als Schäumchen zubereitet, für Sorbet geeist.«
    Kieffer vergrub sein Gesicht in den Händen. Er war so entsetzlich müde. »In meinem Eisschrank findest du fruit mystérieux – braisé, feuilleté, poêlé – jede verdammte Scheißzubereitung, die man sich vorstellen kann. Alles sinnlos, geschmacklich bestenfalls eine Nullnummer. Man muss sie bräunen, das habe ich herausgefunden, unter dem Salamander oder auf dem Grill, erst dann entfaltet sie ihr Aroma. Es hat vermutlich irgendwas mit den Röststoffen zu tun.«
    Vatanen kniete sich neben ihn und legte Kieffer die Hand auf die Schulter. »Das ist alles ziemlich faszinierend, kulinarisch betrachtet. Aber du musst jetzt schlafen, mein Freund. Wenn ich das richtig sehe, bist du seit über 48 Stunden fast ununterbrochen auf den Beinen. Trink noch einen Schluck Burgunder, rauch noch eine Zigarette und sieh dann zu, dass du zehn Stunden schläfst.«
    Kieffer stand abrupt auf und schüttelte ärgerlich die Hand des Finnen ab. Verstand Vatanen nicht, was für eine Entdeckung er gemacht hatte? »Pekka, du hast nur ein paar Krümel auf deiner Suppe gehabt – die du eigentlich grauenhaft fandest. Und dann hast du sie reingelöffelt, als ob es kein Morgen gäbe. Dieses Zeug ist Zauberei!«
    Vatanen nickte. »Wir brauchen einen Experten, der dein Früchtchen genau untersucht. Ich weiß auch schon, wer der perfekte Mann dafür ist. Aber jetzt musst du schlafen.« Er seufzte. »Und auf mich wartet der Erdbeer-Monolog.«

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    12
    Nachdem Vatanen ihn vor seinem kleinen Häuschen in Grund abgesetzt hatte, legte

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