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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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Aromen bestanden.
    Die Ergebnisse waren jedoch unbefriedigend. Herausgekommen war ein Allerweltskäse namens Bellapizza, der sich für Industrielasagnen und Fertigfondues eignete, den man aber ungeraspelt und ungeschmolzen nicht einmal ahnungslosen Kantonesen vorsetzen konnte.
    Hier nun lief Wyss zu Höchstform auf. Zunächst gelang es ihm, den Kunstkäse so weit zu verfeinern, dassHüetli rasch zwanzig verschiedene Varianten lancieren konnte. Fortan ließ sich eine Pizza Quattro Formaggi mit Möchtegernmascarpone, Gaukelgorgonzola, Täuschtaleggio und Plastikparmesan garnieren, ohne dass dies jemandem auffiel. Für den asiatischen Markt entwarf Wyss einen Kunstkäse »Façon Camembert«, der sogar eine authentisch wirkende, essbare Schimmelrinde besaß.
    Kieffer zündete sich eine Ducal an, bestimmt die achte oder neunte. Er schaute auf das Stück Manchego, das unangetastet auf einem kleinen Teller neben seinem Stuhl lag. Es handelte sich um einen erstklassigen Biokäse aus einer Kooperative in der Nähe von Toledo. Trotzdem würde er nach dieser Lektüre keinen Bissen davon hinunterkriegen. Er wandte sich wieder dem Dossier zu.
    Vor allem der Pseudo-Camembert bescherte Hüetli märchenhafte Gewinne. Wyss brachte er einen Vorstandsposten ein. Er war nunmehr für die gesamte Forschung, Entwicklung und Produktion verantwortlich. Zu diesem Zeitpunkt begann er erstmals, ins Visier der Medien zu geraten. Einige Food-Aktivisten hatten die Presse auf den immer häufiger in Fertigprodukten und der Gastronomie anzutreffenden Analogkäse aufmerksam gemacht – und Wyss wurde als Verantwortlicher für diese Geschmacklosigkeit an den Pranger gestellt.
    Vor allem die Schweizer Presse erregte sich, weil Wyss Hand an ein Nationalheiligtum gelegt hatte – Appenzeller aus Fertigpulver, das war unerhört. Und das französische Satireblatt »Canard enchaîné« beförderte ihn auf sein Titelblatt, als Cartoonfigur. Auf dem Cover war ein irre grinsender Wyss abgebildet, der Stromstöße durch einen riesigen Camembert mit angenähten Armen undBeinen jagte. Darunter stand: »Das Panoptikum des Dr. Frankenkäse«.
    Als Kieffer die wenigen verfügbaren Fotos betrachtete, wurde ihm sofort klar, warum sich der Schweizer so gut als Hassobjekt eignete. Wyss war hager, unter seinen schütteren blonden Haaren blitzten intelligente, aber kalte blaue Augen hervor. Seine Mundwinkel waren stets leicht nach unten gezogen, man hatte den Eindruck, dass er alles um sich herum abschätzig musterte, ja belächelte. »Kein Sympathieträger, wahrhaftig nicht«, brummte Kieffer. Zu allem Überfluss trug Wyss eine schmucklose, runde Nickelbrille. Damit sah er ein bisschen aus wie ein verrückter Nazi-Wissenschaftler aus einem schlechten B-Movie.
    Während sich Wyss’ Kritiker, allen voran die französische Slow-Food-Initiative Les Amis du Fromage, an ihm abarbeiteten, forschte der Chemiker unbeirrt weiter und versuchte, seinen Kunstkäse auch in Europa salonfähig zu machen.
    Analogkäse, das wusste Kieffer, durfte in der Europäischen Union nicht unter der Bezeichnung Käse verkauft werden. In dem Großhandelsgeschäft, in dem er seine Einkäufe tätigte, lagen im Kühler große Tüten davon. Sie hatten Namen wie »Pizza-Mix« oder »Gastromischung«.
    Die Endverbraucher wollten aber richtigen Käse. Wyss hatte sich an diesem Problem lange die Zähne ausgebissen, bis er zusammen mit den Juristen von Hüetli eine Lösung fand. Kernproblem war das pflanzliche Eiweiß, aus dem Analogkäse zu großen Teilen bestand. Weil das Endprodukt kein Milcheiweiß enthielt, durfte man es nach geltendem Recht nicht als Käse bezeichnen. Milcheiweiß, sogenanntes Kasein, ließ sich nur ausMilch gewinnen – die leider viel teurer war als jene billigen Pflanzenfett-Abfälle, die Hüetlis Analogkäse so renditestark machten.
    Wyss entwickelte daraufhin eine Methode, um mit genetisch veränderten Organismen in großen Bakterientanks aus Tierkadavern künstliches Milcheiweiß herzustellen. Zwei Jahre arbeitete er an nichts anderem, dann war seine Kunstmilch »Lactoplus« fertig.
    Damit konnte Hüetli einen Käse herstellen, der keinerlei pflanzliches Eiweiß enthielt, sondern, wie vom Gesetzgeber gefordert, Milcheiweiß. Niemand hatte die fragliche EU -Kennzeichnungsverordnung zuvor so genau studiert wie Wyss und seine Juristen. Und niemand war auf die ebenso verwerfliche wie geniale Idee gekommen, die der Chemiker gehabt hatte.
    In dem fraglichen Gesetzestext stand zwar,

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