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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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von den dicken Steinwänden reflektiert, nach draußen. Eine von ihnen war die Reibeisenstimme von Nicholson, dem Broadmoor-Oberaufseher, doch so sehr ich auch lauschte, ich verstand kein Wort.
    Ich blickte durch die Tür in einen Raum mit einem großen Ofen. Ein Mann sprach – Nicholson, ein anderer schaufelte Kohle, und zwei weitere Männer hievten einen schweren Sack nach dem anderen ins Feuer. Die Mühe, die das bereitete, und der Knick in der Mitte eines jeden Sackes ließen auf den Inhalt schließen. Seltsamerweise schluckte mein Verstand diese Informationen ohne die geringste Regung. Erst als der süßliche Rauch aus dem Schlot in meine Nasenlöcher kroch, überkam mich das zitternde Grauen.
    Keuchend presste ich mir einen Ärmel aufs Gesicht und umschlang meine Knie fest mit den Armen. Zu stark war das Verlangen, hineinzurennen und Nicholson die Augenauszukratzen. Ich brauchte eine Weile, um mich zu sammeln. Es gab nichts mehr zu tun, außer sich leise davonzustehlen.
    Als ich über den Rasen rannte, machte mir der Kloß im Hals das Atmen schwer. Ich fand die Eiche und das herunterhängende Seil und kletterte hinauf. Oben legte ich mich flach auf den dicken Ast und weinte.

    ch hätte es vorgezogen, wenn Sie in London geblieben wären«, sagte eine ruhige Stimme.
    Mein Herz setzte kurz aus, und ich erblickte Holmes, der auf demselben Ast saß, mit dem Rücken gegen den Stamm gelehnt.
    Ich setzte mich auf. »Lass mich in Ruhe«, quetschte ich hervor und schob mich an ihm vorbei.
    »Warte!«, forderte er.
    Ich konnte seine Gesellschaft im Moment nicht ertragen – oder, genau genommen, die Gesellschaft von irgendwem. Ich warf mir den Rucksack über die Schulter und kletterte den Baum hinab. Mit gedämpfter Stimme rief er mir hinterher. Zügig machte ich mich auf den Weg zu einer kleinen Lichtung, die mir vorher aufgefallen war. Als Holmes’ Schuhe den Waldboden berührten, war ich längst weg.
    Nachdem ich mir eine Weile die Lunge aus dem Leib gerannt hatte, erreichte ich einen kleinen Moorsee – ein rundes schwarzes Samttuch, umrahmt von Grasbüscheln, Moosbeerbüschen und hellgrünem Torfmoos. Ich ließ meinen Rucksack fallen und zog mich aus. Hier fühlte ich mich fast wie zu Hause. Jeder glaubte zu wissen, dassMoore den langsamen Tod bedeuteten, ein weiteres unsinniges Vorurteil unserer Rasse. Für mich war das Moor gleichbedeutend mit Schönheit und Abgeschiedenheit. Kaum jemand würde sich hierher verirren, und Holmes machte da keine Ausnahme.
    Das Moos um mich herum schwang mit jedem meiner Schritte. Die Wellenbewegung setzte sich bis zu drei Meter in jede Richtung fort. Behutsam platzierte ich meine Füße nur auf feste Grasbüschel. Ich setzte mich, die Pflanzendecke sank herab und entließ mich langsam in den See. Meine ausgestreckten Zehen konnten den Schlamm nicht erreichen, der See war tief genug zum Tauchen. Und das tat ich.
    Schwärze umgab mich, und das kalte Wasser wusch mir den Gestank vom Leib und die Bilder von in Säcken verpackten Leichen, Menschen die achtlos in das lodernde Feuer geworfen wurden, aus der Seele.
    Meine Lungen protestierten, mein Brustkorb zuckte, wollte frische Luft einsaugen und die verbrauchte ausstoßen. Ich tauchte weiter. Kurz bevor die Schwärze mich ganz aufnahm, stieß ich mit dem Kopf durch die Wasseroberfläche. Gierig begrüßten meine Lungen die Nachtluft des Berkshire-Waldes.
    Eine Bewegung am Ufer erregte meine Aufmerksamkeit. Jemand streifte hastig seine Kleidung ab und hielt dann plötzlich inne, als ich in seine Richtung spähte. Ich musste mir merken, ihn nicht noch einmal zu unterschätzen. Als Holmes seine Hosen wieder angezogen hatte, schwamm ich zurück zu meinem Kleiderhaufen. Er hatte es nicht gewagt, die schwingende Pflanzendecke zu betreten, und ich fragte mich, wie er mich wohl hatte retten wollen.
    »Etwas Privatsphäre wäre mir ganz angenehm«, ließ ichihn wissen. Er bewegte sich nicht, und sein Gesicht zeigte Entschlossenheit. Was für eine Frechheit! »Holmes, muss ich dich daran erinnern, dass jeder andere Gentleman sich jetzt diskret zurückziehen würde?«
    »Es besteht kein Anlass, mich an gute Manieren zu erinnern. Ich gehe unter einer Bedingung: Du hörst zu, was ich zu sagen habe.«
    Ich schnaubte über so viel Dreistigkeit. »Du hast nichts, womit du verhandeln könntest.«
    Er dachte einen Moment nach und entgegnete dann, leicht belustigt: »Das würdest du nicht wagen!«
    Er hatte ja keine Ahnung! Schon hatte ich die Hände

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