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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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auf zwei Grasbüschel gelegt und zog mich aus dem Wasser. Holmes taumelte zwei Schritte zurück. Der Anblick einer splitterfasernackten Frau schien ihn doch etwas zu erschüttern.
    Langsam richtete ich mich auf und sah ihm direkt ins Gesicht.
    Er drehte sich um und entfernte sich, die Hände zu Fäusten geballt.
    Ich schüttelte das Wasser und den Ärger ab, ging über den schwingenden Seerand zu meinen Sachen und zog mich an.
    Auf dem Weg zurück in den Wald fand ich Holmes, der an einem Baum lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt. Schweigend gingen wir nebeneinander her, bis wir einen Platz gefunden hatten, an den wir uns setzen konnten. Ich holte den kärglichen Proviant aus meinem Rucksack und bot ihm davon an.
    »Ich würde gern zuerst etwas sagen, wenn ich darf.«
    Er nickte.
    »Ich bin deine Spielchen leid. Was immer du zu sagen hast, bitte mach es kurz. Sollte ich den Eindruck gewinnen, dass du nicht ehrlich bist oder absichtlich Details auslässt, werde ich gehen.«
    Er reagierte nicht, sondern schaute nur geradeaus in den Wald. Dann fing er ruhig an zu erzählen: »Letzten Winter habe ich in einem Diebstahl ermittelt und eine Gruppe von Straßenbengeln dafür bezahlt, den Verdächtigen zu beschatten. Der Mann wurde getötet, doch einer der Jungs hatte den Mörder gesehen. Zwei Tage später wurde der Junge gefunden, zu Tode geprügelt, seine Innereien überall verteilt. Er war erst elf Jahre alt.«
    Holmes saß regungslos da. Langsam verstand ich, warum er mich nicht in die Ermittlungen miteinbeziehen wollte. Ich hatte angenommen, er habe sich überlegen gefühlt und wolle keine Hilfe von einer Frau annehmen. Wie dumm von mir, das Vorurteil zu pflegen, alle Männer hielten Frauen für zweitklassige Menschen. Ich schaute Holmes an.
    »Ich habe mir geschworen, niemals mehr wegen eines Falles einen Menschen zu gefährden«, sagte er schließlich.
    »Danke«, sagte ich leise und bot ihm einen Becher Brandy an. Wortlos nahm er ihn.
    »Es tut mir leid«, sagte ich sanft, »Deinetwegen und wegen des Jungen.«
    Nach und nach verstummte die Musik der Grillen. Es war offensichtlich Zeit für sie, schlafen zu gehen. Ich jedoch war hellwach.
    »Du glaubst, du hättest es besser wissen müssen«, fuhr ich mit dünner Stimme fort, »das denkst du recht häufig.« Es war nicht als Frage gemeint. Ich wandte mich ihm zu und berührte seine Hand. »Man kann absolut gar nichts von Grausamkeiten lernen.«
    Er sah mich an, zuerst fragend, dann, einen Augenblick später, mit kaltem, hartem Blick.

    »Tut mir leid, ich wollte dich nicht demütigen«, sagte ich.
    »Hast du nicht«, meinte er, immer noch abweisend. Langsam wurde mir klar, dass ihn jemand vor langer Zeit sehr verletzt haben musste. Niemand wird misstrauisch geboren, höchstens dazu gemacht.
    Ich füllte den Becher in seiner Hand wieder auf. Er nickte, nahm einen Schluck und reichte ihn dann mir. Ich kippte den Rest hinunter.
    Lange saßen wir schweigend nebeneinander, aßen, tranken und dachten nach, bis ich die Stille unterbrach. »Die Flamme war weiß.«
    »Ja, ich hab’s gesehen.«
    Es hatte keinen Sinn, die Polizei zu rufen. Eine weiße Flamme brennt so heiß, dass Knochen und selbst Zähne innerhalb von zwanzig Minuten zu Asche zerfallen.
    »Was hast du sonst noch gesehen?«, fragte ich.
    »Ziemlich genau das, was du gesehen hast. Ich bin dir gefolgt.«
    »Du bist ein ganz außergewöhnlicher Detektiv. Ich kann verstehen, dass du das Gefühl hast, ich sei im Weg.«
    Überrascht sah er mich an.
    »Ich werde mich«, sprach ich weiter, »trotzdem nicht von den Ermittlungen abbringen lassen. Dieses Verbrechen geht mich persönlich an. Diese Leute experimentieren mit hochgradig gefährlichen Bakterien; wer soll sie stoppen, wenn nicht der beste Bakteriologe von London?«
    »Du hast einen Plan«, stellte er fest.
    »Ja. Beide Opfer wurden mit Tetanus infiziert, und einer von ihnen noch dazu mit Cholera. Von jetzt an werde ich meine Forschungen auf Tetanus konzentrieren und mich dabei so interessant machen, dass, wer auch immer dahinter steht, mir irgendwann einen Besuch abstattet. Es müssen eine Reihe von Ärzten involviert sein, und einervon ihnen wird früher oder später meine Expertise in Anspruch nehmen wollen.«
    Holmes atmete hörbar aus, aber kurz darauf sagte er: »Das ist klug.«
    Ich brauchte einen Moment, um das zu verdauen.
    »In Broadmoor hat man«, fügte er hinzu, »alle Beweise zerstört, und sie werden eine Weile brauchen, um neu anzufangen.

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