Teufelsherz (German Edition)
bei ihr an.
»Fürchte dich nicht.«
»Lass mich los!«
Mit einem Mal ließ der Druck seiner Hände nach, und Emily blickte in ihr dunkles Zimmer. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, und ihr Atem ging stoßweise. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Verstört glitt ihr Blick über die schwarzen Umrisse der vertrauten Möbel, über die Staffelei, und nur ihr Schluchzen durchbrach die nächtliche Stille. Hilflos rang sie nach Atem und hatte doch das Gefühl zu ersticken. Sie konnte nicht verhindern, dass mit jedem Versuch, an Sauerstoff zu gelangen, ein hoher Ton aus ihrer Kehle drang. Immer noch sah sie sich wie eine Fremde in dem Raum um, als ihr Blick plötzlich am Fenster hängen blieb.
Es schneite! Milliarden von winzigen Schneeflöckchen nahmen der Nacht etwas von der Dunkelheit und fielen vor ihrem Fenster zu Boden. Emily starrte die Flocken an, als hätte sie den Verstand verloren, doch der Druck auf ihrer Brust nahm wieder zu. Zusammengekauert lag sie da, das Gesicht im Kissen vergraben, um ihre Eltern nicht zu wecken, und heulte sich die Seele aus dem Leib. Sie konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Sie versuchte darüber nachzudenken, was passiert war, doch da war nur noch Leere.
Ruckartig fuhr sie hoch, als sie merkte, dass ihre Lider schwer geworden waren und das Weinen, welches nur noch einem Wimmern glich, verstummt war. Unendliche Müdigkeit drohte sie zu übermannen.
Sie richtete sich auf, strich sich die Haare aus dem nassen Gesicht und blickte auf das Handy. Es war kurz vor vier Uhr morgens. Sie durfte nicht mehr einschlafen!
Sofort sprang sie aus dem Bett und taumelte auf die Tür zu, wo sie mehr gegen den Lichtschalter fiel, als diesen zu betätigen. Sie lehnte sich gegen die Wand und blinzelte in die plötzliche Helligkeit, die ihren Augen wehtat. Dann wurde ihr schwindelig, und sie rutschte langsam an der Wand zu Boden, wo sie ihren Kopf auf die Knie legte und erneut zu weinen begann, obwohl sie gedacht hatte, keine Tränen mehr übrig zu haben.
Sie musste nur diese Nacht überstehen, versuchte sie sich einzureden. Sobald es hell war, würde die Welt wieder freundlicher aussehen. Es war alles halb so schlimm.
Erneut wurde sie von Schluchzern geschüttelt. Nein, sie war verloren. Er würde sie nicht gehen lassen. Das hatte er ihr doch ständig klarzumachen versucht, oder etwa nicht? Er wollte der neue »Teufel« werden, und sie hatte ihm vertraut! Hatte sich von ihm in die Unterwelt bringen lassen, fort aus ihrem Unterbewusstsein. Sie war ihm voll und ganz verfallen und wie ein naives Kind auf seine lieben Worte hereingefallen. Oh Gott, sie hatte sich benommen wie ein pubertierender Teenager!
Sie durfte auf keinen Fall einschlafen! Das war nun das Allerwichtigste.
So leise wie möglich schlich sie hinunter in die Küche. Dort fand sie noch einen Rest Kaffee in der Kanne, den sie sofort herunterstürzte. Sie hatte ganz vergessen, wie widerlich dieses Gebräu schmeckte und warum sie es immer verabscheut hatte. Kalt war es auch nicht besser.
Da sie nicht wirklich auf die Wirkung dieses bisschen Koffeins vertraute, durchsuchte sie den Kühlschrank und fand dort noch zwei Dosen der Energy-Drinks, die ihr Vater ständig trank und auf seine Lkw-Fahrten mitnahm – sehr zum Ärger ihrer Mutter. Sie öffnete eine davon und leerte sie bis zum letzten Tropfen. Danach fiel ihr ein, dass eine Dusche sie vielleicht richtig wachmachen würde. Als das heiße Wasser auf sie niederprasselte, zog sich ihre Brust erneut so schmerzhaft zusammen, dass sie das Gefühl hatte, ihr Herz würde zerquetscht. Schließlich ließ sie sich auf den Boden sinken. Nackt, die Knie eng an die Brust herangezogen, saß sie unter dem Wasserstrahl und starrte ins Leere. Sie dachte an jedes seiner Worte, an jede seiner Gesten und an jeden einzelnen seiner Blicke zurück und konnte es nicht fassen, wie dumm sie gewesen war. Wie blind hatte sie nur sein können, während sie seine teuflischen Augen anhimmelte und sich von seinem dämonischen Lächeln verzaubern ließ?
Das Wasser war längst kalt geworden, und doch saß sie immer noch zitternd in der Dusche und konnte sich nicht bewegen. Die Kälte hielt sie wach. Und auch der Schmerz in ihren Gliedern war ihr willkommen. Er lenkte ab.
Erst als sie dumpf den Wecker ihrer Mutter im Nebenzimmer hörte, rappelte sie sich hoch. Schwankend torkelte sie auf den flauschigen Badezimmerteppich und hielt entsetzt inne, als sie zu dem beschlagenen Spiegel über dem Waschbecken
Weitere Kostenlose Bücher