Teufelsherz (German Edition)
blickte.
»Rede mit mir«, stand darauf.
Eine gute Minute verging, in der sie die krakelige Schrift einfach nur regungslos betrachtete. Auf eine seltsame Weise fühlte sie sich dieser Welt nicht mehr zugehörig, und alles, was sie wusste, war, dass sie nicht einschlafen durfte. Dass sie nicht mit ihm reden wollte. Ihm nie wieder eine Möglichkeit geben durfte, sie in die Hölle zu ziehen, auch wenn er es »nur« als Vorhölle bezeichnete.
Langsam ging sie auf den Spiegel zu und wischte die Worte mit einer einzigen Handbewegung weg. Dann nahm sie ein Handtuch und wischte damit noch einmal über das Glas, bis sie über ihren eigenen Anblick erschrak. Ein Mädchen, dessen schwarzes Haar nass auf die totenbleiche Haut herabhing. Ihre Lippen waren blau vor Kälte, und unter den Augen hatte sie dunkle Ringe. Sie sah aus wie tot. Wie Mandy damals.
Emily zuckte zusammen. Es war, als erwache sie aus einer Art Trance. Schnell hüllte sie sich in ein Handtuch, auch wenn ihr dadurch kaum wärmer wurde. Mit beiden Händen klammerte sie sich an den Waschbeckenrand und beobachtete, wie der Gestalt im Spiegel Tränen über die Wangen liefen. Lautlose Tränen wie in einem Gemälde.
Sie spürte einen kalten Lufthauch an ihrer nassen Wange, als hätte jemand zart darübergestrichen, doch Emily regte sich immer noch nicht. »Geh weg«, brachte sie schließlich mit rauer Stimme hervor und betrachtete weiterhin ihr Spiegelbild, als würde er jeden Moment an ihrer Seite erscheinen.
Doch sie war allein. Nichts deutete mehr auf seine Anwesenheit hin. Emily ging in ihr Zimmer, wo sie sich anzog.
Als die Wärme halbwegs in ihren Körper zurückgekehrt war, sah sie nicht mehr ganz so schlimm aus. Doch als sie wenig später die Treppe herunterkam, sah ihre Mutter sie an, als stünde ein Geist vor ihr. Auch ihr Vater war bereits wach und saß auf dem Hocker am Küchentresen. Sein Lächeln gefror, als er sich zu ihr umdrehte.
»Um Himmels willen, Emily. Bist du krank?« Ihre Mutter stürzte sofort auf sie zu und betastete ihre Stirn. »Was fehlt dir?«
»Es geht mir gut.« Sie wich etwas zurück, versuchte aber gar nicht erst, zuversichtlich auszusehen. Dafür hatte sie keine Kraft mehr, und das Ergebnis hätte ohnehin zu wünschen übriggelassen. Wortlos ging sie an ihren Eltern vorbei, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, die sie hastig trank und dann sofort nachfüllte. Mit der zweiten Tasse lehnte sie sich an den Küchenschrank und blickte in die schreckensstarren Gesichter derer, die sie liebten.
»Ich habe sehr schlecht geschlafen«, sagte sie, bevor sie sich einem Verhör unterziehen musste. »Ich hatte Albträume und war ständig wach. Wird schon wieder.«
Ihre Mutter musterte sie besorgt. »Möchtest du nicht lieber zu Hause bleiben?«, fragte sie nach einem kurzen, um Unterstützung heischenden Blick zu ihrem Ehemann. »Leg dich doch noch einmal hin. Ich mache dir einen Tee und bringe dir das Frühstück.«
»Danke, aber ich habe keinen Hunger. Ich gehe gleich zum Bus.«
Ihre Mutter protestierte natürlich weiter, beobachtete, wie sie die zweite Tasse Kaffee austrank und nach der letzten Dose des Taurin-Zucker-Getränks im Kühlschrank griff, und versuchte sie umzustimmen. Doch Emily blieb hartnäckig. Sie konnte sich unmöglich ins Bett legen. Sie würde nur einschlafen. Die Schule war ihre Rettung. Hätte sie genügend Kraft besessen, sie hätte wohl darüber gelacht.
Erleichtert, ihre überfürsorglichen Eltern los zu sein, trat sie hinaus in die Kälte und blieb abrupt stehen.
Wohin das Auge blickte, alles war weiß. Es musste die ganze Nacht geschneit haben und immer noch fiel der Schnee dicht vom Himmel herab, während sich das Halbdunkel langsam lichtete und der Tag begann.
Emily hob die Hand und betrachtete die kleinen Flocken, die auf ihrer Haut schmolzen, genauso wie sie es bei Damian gesehen hatte. Erneut spürte sie einen Schwindel, der Übelkeit in ihr aufsteigen ließ und sie schwächte, weshalb sie sich schnell auf den Weg machte.
Die Busfahrt war schrecklich, denn mehr als einmal fürchtete sie, sich übergeben zu müssen. Die anderen Schüler starrten sie an, als hätten sie es tatsächlich mit einem Vampir zu tun, aber Emily war es egal. Sie wusste, dass dieser Tag nicht leicht werden würde, und auch, dass sie sich noch etwas einfallen lassen musste, um wach zu bleiben. Sie musste es unbedingt schaffen, Damian fernzuhalten und sich zu schützen. Einen Moment lang kam ihr der absurde Gedanke, zu Gott zu
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