Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)
bemerkte wieder das Flackern in den Augen des Besessenen. Niels Orsted griff unter das Instrumentenbord und brachte einen großkalibrigen Revolver hervor. Während er den Hahn spannte, schwenkte der Lauf in Berrys Richtung. Das Flackern in den Augen des Schweden verstärkte sich. „Sag denen da unten, sie sollen Ruhe geben!“ befahl er hart.
Berry tat erschrocken. „Bist du übergeschnappt? Mach das Ding weg! Oder willst du mich erschießen, wenn ich nicht tu, was du sagst? Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Schließlich stehe ich auf deiner Seite! Hast du vergessen, daß wir uns länger kennen als all die anderen?“
Das Mißtrauen wich aus Niels Gesicht und machte einem dünnen Lächeln Platz. „Auch du bist reichlich nervös, muß ich feststellen.“
„Ist das denn ein Wunder - bei einer solchen Situation?“
„Nein, ein Wunder ist es wahrlich nicht. Offensichtlich bekommt uns das Klima hier nicht.“
Wenn es nur das Klima wäre... dachte Berry zerknirscht.
„Ich wollte dich nicht mit dem Revolver bedrohen, Berry, sondern ihn dir geben! Aber ich will jetzt selber dafür sorgen, daß die da unten ruhig werden.“
Er ließ das Ruder los und ging zur Luke. „Hört mal zu, ihr Durchdreher! So lange ihr verrückt spielt, bleibt ihr da unten, und wenn ihr dabei schwarz werdet! Ich habe einen Revolver. Seht euch vor. Demoliert mir nur ja nicht mein Schiff. Die Waffe ist geladen. Wollt ihr es hören? Dann tretet einmal schön von der Luke zurück. Ich werde jetzt schießen. Das Kaliber reicht. Die Luke ist für eine solche Durchschlagskraft nur Papier. Einen Elefanten könnte ich damit erlegen.“ Ein hämisches Grinsen verzerrte seine Miene.
Spitze Schreie unter Deck. Ein lauter Ruf: „Niels!“ Das war Helen Gabin gewesen.
Berry Redliff stand am Aufbau neben dem Ruder. Seine Gedanken jagten sich. Sollte er es wagen? Sollte er sich von hinten anschleichen und Niels niederschlagen? Er entschied sich dagegen und verfluchte dabei seine eigene Feigheit. Aber war es wirklich Feigheit, daß er es nicht wagte? Bestimmt nicht! Niels besaß schließlich einen Revolver. Er war von einem Dämon besessen. Wie groß waren denn dabei Berrys Chancen?
„Nein, Idiotin!“ kam es gedämpft durch die Planken. Kreischen. Dann wieder die Stimme von Bonaldo Giaiotti: „Bleib hier, Helen! Er schießt dich nieder!“
„Das ist nicht wahr, ihr Verbrecher. Das ist nicht wahr! Ihr seid alle gegen ihn! Alle gegen ihn!“
„Sei vernünftig, Helen, oder ich muß dich niederschlagen!“ Das war Billy Millair gewesen.
„So tu es doch! Dazu bist du fähig. Wehrlose Frauen kannst du schlagen und ansonsten den starken Mann markieren. Nehmt euch an Niels ein Beispiel. - Niels, hörst du mich? Niels! Verdammt, laßt mich sofort los!“
Niels Orsted warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Es war ein teuflisches Lachen, das Berry Redliff eisige Schauer über den Rücken jagte. Und nicht nur Berry. Auf einmal war es unter Deck ruhig. Niels drückte die Mündung des Revolvers gegen die Luke und bewegte den Griff hin und her. „Haha, vielleicht treffe ich doch einen von euch, so rein zufällig? Hahahaha! Helen, komm doch, süße Französin! Komm zur Luke, bevor ich den Abzug durchreiße!“ Das Gelächter war so schaurig, daß Berry schier das Blut in den Adern gefror. Ein verzweifelter Schrei, durch die Luke gedämpft. Der erste Schuß löste sich. Die Kugel fuhr ungehindert durch die Luke...
*
Berry Redliff schloß die Augen, um nicht mit anzusehen, wie Niels Orsted, sein bester Freund, seine eigene Freundin erschoß! Er konnte es einfach nicht fassen: Gestern noch waren sie eine fröhliche, ausgelassene Gesellschaft gewesen - auf dieser Hochseejacht, die Niels Orsted gehörte. Und jetzt war das Unheil über sie hereingebrochen. Niels Orsted würde alle ausrotten, bevor sie die nächste Insel erreichten. Davon war er überzeugt!
„Wahnsinniger!“ schrie Bonaldo. „Willst du uns alle absaufen lassen?“
„Na und?“ rief Niels spöttisch.
Berry Redliff griff nach dem Steuer, wie um Halt zu finden. Seine Hände krallten sich so fest um das Holz, daß die Knöchel weiß hervortraten. Kleine Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn, als er den Schweden durch die Scheibe betrachtete. Niels Orsted war längst nicht mehr er selber. Das Gesicht war zur Fratze verzerrt. Die Hand mit der Waffe zitterte. Und Berry Redliffs Angst wuchs, der Freund könnte sich auch gegen ihn wenden. Welche Chance hätte er denn?
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