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Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)

Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)

Titel: Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W.A. Hary
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Trotzdem war es mir, als flüstere sie mir ununterbrochen zu, ich solle mich sofort zum Westfriedhof begeben. Dieses gewiß nur eingebildete Flüstern hatte suggestive Wirkung und bestimmte schließlich meine Handlung. Ich verließ das Bad, griff wahllos in den riesigen Kleiderschrank im Ankleidezimmer, streifte irgend etwas über, ohne das lange Kleid richtig zu registrieren, wählte einen warmen Mantel, der überhaupt nicht dazu paßte, stieg in Pumps, faßte die Handtasche so fest, als brauchte ich sie, damit sie mir Halt geben konnte, und verließ mit unsicheren Schritten das alte, herrschaftliche Haus in der Delvino Road, die zum Bezirk Parsens Green und somit zum Stadtteil Hammersmith gehört. Ich weiß gar nicht mehr zu sagen, wie es mir gelang, zum Westfriedhof zu kommen. Irgendwo ließ ich den Wagen stehen und fand mich vor einem verschlossenen Tor wieder. Da tat ich etwas, was überhaupt nicht meiner Art entsprach. Ich handelte wie in Trance, als hätte eine fremde Macht von mir Besitz ergriffen, während ich das Tor einfach überkletterte. Wie durch ein Wunder blieb dabei meine Kleidung heil.
    Ich taumelte mehr als daß ich lief durch die düsteren Grabreihen. Bäume säumten meinen Weg. Sie schüttelten ihre Kronen und wiegten sich hin und her, als wollten sie mich beschwören, sofort wieder umzukehren. Je näher ich dem Grab meines Mannes kam, desto unheimlicher wurde es. Die Bäume wurden schlanker, höher und wirkten plötzlich wie schwarze Hände, die vergeblich versuchten, nach mir zu greifen, wenn ich vorüberkam.
    Immer schneller wurde mein Schritt. Mein Atem ging keuchend. Der Schweiß stand auf meiner Stirn und rann mir in die weit aufgerissenen Augen. Das Herz versuchte, einem Dampfhammer nachzueifern. Die Wege wurden schmäler und düsterer. Da waren Naturzäune aus sorgfältig geschnittenen Weiden. Miniaturkapellen, die zu teuren Familiengrüften gehörten, tauchten auf. Und dann stand ich vor dem Grab meines Mannes. Die Erde war erst frisch eingeebnet. Sie war locker und noch unbepflanzt. Der Grabstein war noch neu. Eine letzte Ruhestätte, die gar nicht recht hierher passen wollte, zwischen all die ehrwürdigen Familiengrüfte. Dahinter befand sich auch die Gruft der Harris, der Vorfahren und verstorbenen Verwandten Edgars. Sie war überfüllt, und Edgar hätte eigentlich eine neue Gruft beziehen müssen. Er hatte es anders gewollt. Noch zu Lebzeiten hatte er einmal zu mir gesagt, daß er nur hier beerdigt werden wollte. Bei seinen Verwandten zwar, um mit ihnen im Tod vereint zu sein, aber in keiner Gruft, sondern in einem gewöhnlichen Grab.
    Es war das Geringste, was ich für ihn hatte tun können, nachdem er durch meine Hand verschieden war. Ich stand da und starrte auf den Namen, den jemand kunstvoll in den Stein gearbeitet hatte. War da nicht ein Wispern, das über die Gräber zu mir drang? Wo waren die mannigfaltigen Geräusche der Millionenstadt, die sonst allgegenwärtig waren, als Sinfonie des Lebens? Das Wispern verstärkte sich. Die Bäume rauschten, aber es war dies nicht der gewohnte Laut, sondern er erinnerte an das Flüstern von Stimmen. Büsche bewegten sich. Ihre Blätter raschelten, doch klang es wie das Atmen von Wesen, die nicht von dieser Welt waren.
    Ich packte meine Handtasche fester. Die Linke ballte ich zur Faust und preßte sie gegen meinen Mund. Nur so konnte ich verhindern, daß sich das Grauen durch einen gellenden Schrei Luft machte. Meine Blicke irrten umher, nahmen die sich bewegenden Schatten auf und erzeugten in meinem Innern Wahnsinn. Und dann hörte ich zum ersten Mal die dumpfen Laute, die direkt unter der Erde zu meinen Füßen entstanden. Sie waren deutlich hörbar. Es war unmöglich, daß ich mich irrte.
    „Edgar?“ murmelte ich verstört. „Edgar, mein Geliebter?“
    Ein grauenvolles Stöhnen antwortete mir - ein Stöhnen, das durch die Erdmassen gedämpft wurde. Fassungslos stierte ich auf das Grab. Die dumpfen Geräusche verstärkten sich. Und dann begriff ich endlich, was da geschah. Jetzt konnte ich den Schrei nicht mehr zurückhalten, der sich über meine Lippen drängte. Ich machte all dem Luft, was ich empfand, bis ich Atem schöpfen mußte, um nicht zu ersticken.
     
    *
     
    Der Schrei änderte nichts. Die Vorgänge waren unaufhaltsam. Und zu einem zweiten Ausbruch meiner Gefühle kam es nicht. Eine eiskalte Hand schien meine Kehle zuzuschnüren. Ich war unfähig, mich von der Stelle zu rühren. Die lockere Erde begann, sich zu bewegen, als

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