Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)
den kalten Schweiß von seiner Stirn, „einem Geist namens Alkohol! Den finde ich im übrigen wesentlich sympathischer!“
Ich versuchte ein Lachen, aber es war noch etwas gekünstelt. Denn ich dachte nicht nur an Katschu, sondern auch an die Fischer und auch an die Besatzung der Jacht, die durch den Dämon viel Leid erfahren hatten. Und ich überlegte, ob ich es wirklich hätte verhindern können.
Aber dann rief ich mich selbst zur Ordnung. Es war sinnlos, sich in Schuldkomplexe zu ergehen. Das schadete nur unnötig meiner Aufgabe. Und die würde weitergehen, auch wenn dieser eine Dämon letztlich vernichtet war. Es war keine Ahnung, sondern Gewißheit!
Wäre ich durch all diese Gedanken nicht so sehr abgelenkt gewesen, hätte ich vielleicht endlich bemerkt, daß ich die ganze Zeit über schon beobachtet wurde. Denn die Beobachterin wurde immer dreister - bevor sie genügend Mut gesammelt hatte, sich mir zu offenbaren. Dazu nutzte sie eine Gelegenheit, bei der ich allein war...
26. Kapitel
„Ich bin eine Mörderin, Mr. Tate! Ja, ich gebe es ehrlich zu. Ich sitze hier und klage mich selbst an. Man kann in Ihrem Gesicht nicht lesen, aber mir ist klar, daß Sie jetzt schockiert sind. Wir sind zusammen und plaudern. Außer uns beiden gibt es keinen Lebenden, der von meiner Tat weiß. Richtig, ich sagte... „keinen Lebenden“. Es gibt nämlich noch mindestens ein Wesen, das es weiß, und zwar das Opfer, mein Mann. Sie werden jetzt denken, gut, aber was soll's? Schließlich ist der Mann nicht mehr am Leben. Was nutzt ihm also dieses „Wissen“? Mein Gott, wenn das so leicht wäre. Das ist es leider nicht: Mein Mann ist nämlich ein Toter, der zurückgekehrt ist!
Ohne zuvor darauf einzugehen, wie es überhaupt zu der furchtbaren Tat kommen konnte, will ich Ihnen erzählen, was sich danach abspielte. Nur eine Szene, und Sie werden ermessen können, daß ich das Grauen kenne. Ich habe einmal meinen Mann geliebt. Das ist lange her. Vor fünfzehn Jahren heirateten wir. Ich war ein junges Mädchen von siebzehn, wußte noch nichts von der Welt, von den Männern und von all den furchtbaren Dingen, die mir später widerfahren würden. Am Anfang war ich jedenfalls glücklich, und an diese Zeit mußte ich nun denken, nachdem mein Mann bereits Wochen unter der feuchten Erde des Westfriedhofs lag. Ich war schon zu Bett gegangen. Der Gedanke an die glückliche Vergangenheit ließ mich nicht schlafen.
Es ging auf Mitternacht zu, als ich es im Bett nicht mehr aushielt. Ich stand auf. Es war kühl, und meine Zähne klapperten. Trotzdem riß ich das Fenster auf. Da stand ich. Mein Blick schweifte über die alten Häuser, in denen noch bis vor Jahren ausschließlich traditions- und standesbewußte Bürger Londons gewohnt hatten. Die Zeiten ändern sich. Heute wohnen dort Leute, die nicht unbedingt dorthin gehören. Dieses Viertel ist aus jahrhundertelangem Schlaf erwacht. Leben ist eingekehrt. Nicht, daß ich etwas dagegen habe. Ich wollte schon immer Leben um mich herum, obwohl mein Verhalten der vergangenen Jahre diesem Verlangen Hohn sprechen...
Aber ich merke schon, daß ich abschweife: Ich fühlte mich in jener Nacht entsetzlich einsam, da ich merkte, daß Edgar, so hieß mein Mann, der einzige Mensch geblieben war, mit dem ich Kontakt hatte. Jetzt war Edgar tot, und ich schaffte es einfach nicht mehr, mit anderen Kontakt zu bekommen. Ich hatte es sozusagen verlernt, neue Beziehungen zu knüpfen oder alte wiederaufleben zu lassen. In dieser Situation war es nur verständlich, daß ich all das Schlimme vergaß und nur noch an die glücklichen Stunden mit meinem Mann dachte.
Ich stand da, starrte über die Dächer, unter denen nur noch für mich Fremde wohnten, achtete nicht auf meinen vor Kälte zitternden Körper, sog die feuchtkühle Nachtluft tief in meine Lungen und weilte mit meinen Gedanken längst nicht mehr in dieser Welt. Plötzlich war es mir, als hörte ich eine ferne Stimme. Ich runzelte die Stirn und lauschte. Eine eigenartige Atmosphäre nahm mich gefangen. Mein Verstand entrückte der Wirklichkeit noch mehr, und ich hatte keine Möglichkeit, dies aufzuhalten - vielleicht auch, weil ich das gar nicht wollte.
Die Stimme wurde wieder hörbar. Es klang wie ein Ruf, und es schälte sich allmählich für mich ein Name heraus: „May!“ Ich erschrak, denn dies war - mein eigener Name! Es war mir, als sei die Kälte, die an meinen Knochen nagte, die Kälte des nahenden Todes. Doch das
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