Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)
und ich glaubte zu wissen, woher dieser Engländer die Ringe unter den Augen hatte.
Er winkte uns mit dem Gewehr an einer der Nischen vorbei, in denen ausgemergelte Gestalten hockten oder lagen. Ein Mädchen summte ein Lied vor sich hin. Sie war Europäerin, wie die meisten der Unglücklichen. Es gab nur wenige Einheimische hier.
Der Fremde, der uns vor der Polizei gerettet hatte, grinste verschlagen. Die Nische, in die er uns letztlich trieb, war leer, als einzige. Wir waren gezwungen, uns hinzusetzen, wobei mir der Ekel die Kehle zuschnürte. Ich hatte schon viel in meinem Leben erlebt, aber das hier schien mir der Gipfel zu sein. Was sich in diesem Gebäude am wohlsten fühlte, war die Vielzahl der tropischen Krankheitserreger und das Ungeziefer, das an den Wänden auf und ab kroch und den Boden bevölkerte.
Die Süchtigen nahmen daran keinerlei Anstoß. Wenn sie ihre Droge hatten, existierte für sie nichts anderes mehr. Sie befanden sich in ihrer eigenen Hölle - bis es aus ihr keine Rückkehr mehr gab.
Ich schaute zu dem Engländer auf. Lässig lehnte er sich gegen die Wand. Sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug seines Sturmgewehrs. Ich bekam das dunkle Gefühl nicht mehr los, daß wir sozusagen vom Regen in die Traufe geraten waren.
*
„Es scheint Ihnen hier nicht so recht zu gefallen?“ vermutete der Mann zynisch. „Nun, ich bin in einer Lage, in der ich mir meinen Umgang leider nicht mehr aussuchen kann. Es gab schon bessere Zeiten für mich - als ich noch nicht in diesem verfluchten Land war. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und ich befinde mich längst am Ende. Weg kann ich nicht mehr. Dafür fehlen mir die Mittel.“
„Es wundert mich, daß das Rauschgift Sie so lange hat überleben lassen. Zehn Jahre sind für einen Süchtigen eine lange Zeit“, sagte ich. Im stillen hatte ich beschlossen, mich auch jetzt nicht unterkriegen zu lassen.
Er knirschte hörbar mit den Zähnen. „Ich werde Ihnen kurz meine Lebensgeschichte erzählen, Fremder. Sie irren sich nämlich, wenn Sie mich für einen Süchtigen halten. Im Gegenteil, ich bin der Mitbesitzer dieses Ladens hier. Meine Entziehungskur liegt weit zurück, und es verbinden sich damit nur recht unerfreuliche Erinnerungen. Mein Name ist Stephen Millair. Ich war vor zehn Jahren ein Maler mit vielversprechendem Anfangserfolg. Vielleicht haben Sie meinen Namen sogar schon einmal gehört? Auf jeden Fall war mir damals der große Durchbruch gelungen. Sie können sich vorstellen, wie schwierig das ist. Sowieso. Es hängt ja nicht allein vom Können ab. Es muß einem gelingen, in aller Leute Mund zu kommen - zumindest in den Mund derer, auf die es ankommt. Denn nur wer mit den richtigen Personen bekannt ist, hat Chancen. Andere, die diese Hürde nicht schaffen, können wahre Genies sein - ohne daß ihnen jemals das Glück hold wird. Es reicht dann vielleicht gerade mal so zum Graphiker.
Aber ich schweife ab. Es ist die Bitterkeit, die in mir nagt. Ich habe meinen Vorteil gegenüber den anderen damals leichtfertig aufgegeben. Ich kehrte den Galeristen und Kritikern den Rücken. Es sollte ursprünglich nur für kurze Zeit sein, also nur vorübergehend, aber es wurden zehn verdammte Jahre daraus. Ich besuchte dieses Land, wollte seine kulturellen Geheimnisse ergründen. Da machte mir jemand weis, daß ich dazu mein Bewußtsein erweitern müßte - ausgerechnet mit Drogen. Sie kennen das alte, traurige Lied. Ich wurde schnell von diesen Drogen abhängig und schaffte es nicht mehr, von hier wegzukommen. Als ich die Sucht endlich überwunden hatte, wollte mich keiner mehr. Ich war kaputt, am Boden zerstört und besaß keinen Penny mehr. Deshalb dieser Laden hier. Die Umstände können einen Menschen wie zum Tier werden lassen.“ Er lachte häßlich. „Vielleicht bin ich bereits eins - ein Tier? Damit hätte ich den Abstieg bis ganz nach unten endgültig geschafft.“
„Wieso erzählen Sie uns das alles?“ fragte Don ohne Mitleid.
„Es war mir einfach ein Bedürfnis.“
„Und dafür retteten Sie uns extra?“
Er lachte wie über einen Witz. „Wissen Sie, das Hotel ist sozusagen der Mittelpunkt meines Interesses. Dort ist das meiste Geld zu holen. Ich lauere und warte auf meine Chance. Nicht selten tage-, ja wochenlang. Wer in diesem renommierten, guten Stall eine Bleibe findet, hat Geld. Tja, was soll ich sagen? Ich wurde natürlich hellhörig, als plötzlich soviel Polizei anrückte, und noch hellhöriger, als ich die vielen
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