Teufelsjäger (Die Mark Tate-Saga) (German Edition)
über mit Schlangen behängt war. Sie bewegten sich zuckend. Die Nähe des Götzen schien sie zu erregen.
Ich setzte das Glas einen Moment ab und schaute auf meine Brust hinunter. Stephen Millair wußte nichts von dem Schavall. Ich sah auch nicht ein, warum ich ihn darüber informieren sollte. Verstohlen tastete ich danach. Er hatte sich deutlich erhitzt. Also war drüben das Zentrum von Schwarzen Mächten. Millair hatte uns direkt in die Höhle des Löwen geführt, wie mir schien. Hoffentlich stieß uns das nicht noch bitter auf. Millair selbst jedoch zeigte keinerlei Furcht. Er mußte seiner Sache sehr sicher sein.
Ich äußerte ihm gegenüber Bedenken.
Er lachte. „Wissen Sie, Mr. Tate, die Kali-Jünger dort drüben haben keine Ahnung von unserem Logenplatz hier. Wahrscheinlich war ich all die Jahre hindurch sowieso der einzige, der sich um den Tempel gekümmert hat - bevor die hier waren.“
„Wieso das eigentlich?“ fragte ich ihn.
Er zuckte die Achseln und blickte wieder betont angestrengt durch sein Glas. Es gefiel mir nicht, daß er meiner Frage so offensichtlich auswich, aber was sollte ich dagegen tun? Die Ahnung, daß er im Begriff war, uns für irgendwelche seiner niederen Zwecke einzuspannen, verstärkte sich nur noch.
Ich beobachtete den Kali-Priester, denn um einen solchen handelte es sich drüben offensichtlich. Da keine Mauern uns im Wege waren, hatten wir freien Blick auf die Szene. Nur hinter dem Götzenbild hob sich der Felsen über mehrere Fuß hoch. Ich erkannte darin eine Öffnung, so groß, daß durch sie ein Mann gehen konnte. Die Schlangen verließen ihren Meister. Sie klatschten zu Boden, wanden und krümmten sich und näherten sich so der Statue. Jetzt erst, da der Priester vor dem Bildnis stand, wurde mir die Mächtigkeit der Figur bewußt. Sie mochte mindestens zwanzig Fuß hoch sein. Die Schlangen erreichten die Statue und ringelten sich zu ihren Füßen zusammen. Dort blieben sie ruhig liegen. Der Priester verbeugte sich tief und sprach dabei mit monotoner Stimme Gebete. Es hallte bis zu uns herüber. Dann zog er sich ein paar Schritte zurück, wiederholte das Ritual und schritt schließlich an dem Bildnis vorbei zu dem von mir bereits entdeckten Felsspalt. Er verschwand darin und kehrte so schnell nicht wieder zurück.
Ich blinzelte vor Überraschung, denn mir war, als hätte ich die vier Schlangenarme der steinernen Göttin sich bewegen sehen. Das konnte doch nicht sein! Mir schauderte unwillkürlich. Litt ich bereits unter Halluzinationen? Das sollte ich mich schon in naher Zukunft noch öfter fragen. Jetzt saß ich erst einmal hier und war nicht in der Lage, in die grausigen Ereignisse einzugreifen, so sehr es mich vielleicht auch drängen mochte, das zu tun.
Ferner Singsang drang zu uns herauf. Er hatte seinen Ursprung von jenseits der Plattform, außerhalb unseres Sichtfeldes. Die zunächst sanften Klänge verwehten im Wind, kehrten zurück und trafen wieder unsere Ohren. Es war wie in einem Alptraum. Das Bild des Götzen im flackernden Licht faszinierte mich dabei besonders. Ich setzte das Glas nicht mehr ab. Der Singsang näherte sich. Er entsprang zahlreichen Kehlen. Jetzt klang er schaurig, ja, drohend. Und dann knackte es laut im Unterholz jenseits der Plattform. Wir hatten zwar einen besonders guten Platz, aber jetzt verfluchte ich es, daß uns ausgerechnet die Sicht dorthin verborgen war, wo der Singsang seinen Ursprung hatte. Wir konnten noch nicht einmal die Treppe sehen, von unserem Standort aus. Lediglich das Trappeln vieler Füße konnten wir hören. Und dann schob sich die Spitze der Prozession über das Plateau. Der Gesang schwoll so stark an, daß ich fast befürchtete, die Säulen kämen dadurch ins Wanken und der klägliche Überrest des Daches würde den letzten Halt verlieren, um endgültig einzustürzen.
Es zeigte sich, daß dies erst die Vorhut war. Immer mehr strömten herauf und sammelten sich auf dem Plateau. Sie wagten es nicht, den Blick zu heben, und blieben in Demut gebeugt. Und dann zogen sie sich über die Treppe wieder zurück. Fünf ausgemergelte Gestalten blieben. Unter vielen Verbeugungen bewegten sie sich auf den Götzen zu. Knapp vor der Statue förderten sie Schlangen aus ihren weiten Gewändern. Die Biester krochen zu ihren Artgenossen und bildeten mit ihnen schuppige Klumpen zu Füßen des Götzen Kali. Die Männer - es mochte sich ebenfalls um Priester handeln - zogen sich langsam zurück. Jeder stellte sich an einer der fünf
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