Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
Fremden berührt, um herauszufinden, wie sie sich anfühlte.
»Kommt da noch was oder wollen Sie mich einfach nur angaffen?«
Irritierte zuckte Marafella zurück. »Nein«, sagte sie leise, beinahe flüsternd, »ich wollte Sie nicht angaffen. Auf keinen Fall.«
»Was dann, Schätzchen?« Die Frau stützte ihre Arme auf den Tisch und legte ihr Kinn in einer Hand ab. Sie hätte kaum gelangweilter aussehen können.
»Ich suche jemanden. Meinen Begleiter. Ben. Wir wollten uns den neuen Wellnessbereich ansehen.«
Die Frau wiegte den Kopf von einer Seite auf die andere, als müsse sie ernsthaft über Marafellas Lage nachdenken. »Ich kenne keinen Ben«, sagte sie dann. »Aber den neuen Wellnessbereich finden Sie im ersten Stockwerk. Nehmen Sie die Treppe da drüben. Sie führt direkt dorthin.«
Marafella folgte dem Blick der Frau. Die weißen, breiten Stufen führten um eine Ecke. Sie bedankte sich höflich und konnte dabei einen weiteren intensiven Blick auf das Dekolleté der Frau nicht verhindern. Hitze schlich sich in ihre Wangen. Es fühlte sich beinahe schmerzhaft an, sich von ihr loszureißen. Doch dann schaffte sie es und eilte die Treppe hinauf, in der Hoffnung, am oberen Ende auf Ben zu treffen.
15.
Laurena hatte ungefähr drei Sekunden darüber nachgedacht, ob sie Beelzebub folgen sollte und sich letztlich dagegen entschieden. Sie war gekränkt, dass er kein Interesse mehr an ihr hegte. Er hatte sie abgewiesen wie eine billige Nutte. Aber so etwas war sie ganz bestimmt nicht! So durfte er einfach nicht mit ihr umgehen. Wer die Gunst einer Fee gewinnen wollte, der musste dafür bezahlen. Das hatte Beelzebub auch stets getan. Nur wusste er anscheinend nicht, dass man für den Zorn einer Fee in der Regel noch weitaus mehr bezahlte als für jedwede Liebesdienste.
Ausgerechnet einen Engel hatte er sich ausgesucht, um sie zu ersetzen. So ein verfluchter Mist! Wie sollte sie denn damit umgehen, von einem Engel ersetzt zu werden? Einem derart perfekten Wesen, dem niemand anders jemals das Wasser reichen könnte. Nein, sie schüttelte den Kopf, das konnte sie nun wirklich nicht zulassen.
Sie war in die Büroräume des Spas gegangen und suchte nun in der kleinen Feen-Bibliothek nach einem Regelhandbuch. Die Auswahl an Literatur war nicht gerade üppig, daher fand sie es sehr schnell in der untersten rechten Ecke. Sehr versteckt, wie sie erstaunt feststellte. Wie lange mochte es her sein, dass jemand aus diesem Hause die Regeln studiert hatte?
Sie setzte sich in einen großen Ohrensessel, von altmodischem grünen Muster, der neben dem Bücherregal stand und als Leseplatz diente. Die Seiten waren vergilbt und eine Staubwolke stob ihr beim Blättern entgegen. Es entlockte ihr ein Niesen sowie eine Schimpftirade, weil sie es überhaupt nicht leiden konnte, wenn es ihr in der Nase kribbelte.
Nach einem Inhaltsverzeichnis suchte sie vergebens in dem Handbuch und es dauerte ihr schlichtweg zu lange, die Seiten eingehend zu studieren. Sie überflog das Geschriebene in Windeseile und stieß dabei glücklicherweise sehr schnell auf ein Kapitel, das sie brennend interessierte: »Beziehungen zwischen den Oberen und den Unteren.«
Grinsend las sie die Bestätigung dessen, was sie sich bereits gedacht hatte. Laut Paragraph 978 war es für Engel und Teufel absolut verboten, sich miteinander einzulassen. Es galt als Störung des Gleichgewichts. Jedweder Verstoß war unverzüglich der Gerichtsobrigkeit zu melden.
Laurena klappte das Handbuch zusammen und lehnte sich in dem Ohrensessel zurück. Die Gerichtsobrigkeit, das waren Justitia und Aequitas. Frau und Mann, wie sollte es anders sein, die zu gleichen Teilen über das Schicksal aller Wesen, wenn nicht sogar der ganzen Welt inklusive Himmel und Hölle, bestimmten. Sie lebten in einem Palast in der Zwischenwelt, der von niemandem gesehen wurde, außer von demjenigen, der nach ihnen suchte. In London befand sich ein Portal, um dorthin zu gelangen, und Laurena wusste genau, an welcher Stelle. Es war jene, durch die auch Beelzebub jedes Mal von der Hölle auf die Erde hinauf stieg. Die einzige Verbindung zwischen all ihren Welten.
Laurena rieb sich die Hände. »Wollen wir doch mal sehen, was Justitia und Aequitas von dieser schändlichen Beziehung halten.«
Marafella keuchte schon wieder. Sie war es einfach nicht gewohnt, im Schnellschritt zu gehen, noch dazu mit der Last einer schweren Kuscheldecke. Wie gerne hätte sie die von sich geworfen, wäre sie darunter nicht
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