Teufelsleib
Robenstein«, fuhr Elvira fort, »wir sind hier unter uns, und alles, was Sie uns anvertrauen, bleibt auch unter uns, es sei denn, Sie haben sich eines Verbrechens schuldig gemacht. Haben Sie?«
»Mein Gott, nein, wo denken Sie hin? Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass Linda noch leben würde …«
Die Tür ging auf, ohne dass jemand angeklopft hätte, und eine Frau trat ein. Sie war groß und sehr schlank. Brandt schätzte sie auf Mitte bis Ende fünfzig, auch wenn sie offenkundig alles dafür tat, jünger zu wirken, sei es durch ihre beinahe jugendliche und gleichzeitig sehr elegante Kleidung oder ihre gekünstelte Art. Doch die hellblauen, stechenden Augen und die tiefen Falten um Nase und Mund verrieten etwas anderes, sie war eine alte Frau, voll Bitterkeit und negativer Gefühle. Brandt konnte verstehen, dass Robenstein sich nach einer anderen umgesehen hatte.
»Verzeih, Schatz, wenn ich kurz störe, ich wollte nur sagen, dass ich jetzt fahre. Du weißt doch, mein Yogatermin. Danach werde ich noch mit Marianne und Brigitte in die Stadt gehen.«
»Das hast du doch vorhin schon gesagt. Viel Spaß.«
»Und Sie sind von der Polizei, wie mir berichtet wurde?«, sagte sie, ohne auf die Bemerkung ihres Mannes einzugehen, und musterte die Beamten. »Hat mein Mann etwas ausgefressen?«, fragte sie mit einem gekünstelten Lachen. »Was für eine dumme Frage, er könnte keiner Fliege etwas zuleide tun, das versichere ich Ihnen. Er ist so harmlos wie ein Schmetterling.«
»Würdest du uns jetzt bitte wieder allein lassen? Bitte!«, forderte er seine Frau auf, den Raum zu verlassen.
»Einen schönen Tag noch.«
»Und mach die Tür hinter dir zu«, rief ihr Robenstein nach.
»Selbstverständlich, ihr wollt ja nicht gestört werden«, entgegnete sie spitz.
Er wartete, bis die Tür ins Schloss gefallen war, und sagte: »Meine Frau weiß natürlich nichts von Linda, sie hat auch keine Ahnung von … Lassen wir das. Wo waren wir stehengeblieben?«
»Dass Sie sich nichts sehnlicher wünschten …«
»Ja, richtig. Wir wollten eigentlich gestern nach Venedig fliegen, aber dazu kam es ja nun nicht mehr. Ich hatte mich so auf dieses Wochenende gefreut, und Linda auch. Wie ist sie gestorben?«
»Ersten Erkenntnissen nach wurde sie erdrosselt«, antwortete Brandt. »Wieso wussten Sie gestern schon, dass sie tot ist?«
»Wir hatten uns für fünfzehn Uhr in ihrer Wohnung verabredet. Ich wollte sie abholen, aber sie war nicht da. Ich habe geklingelt und es mehrfach auf ihrem Handy versucht, ohne Erfolg, immer nur diese elende Mailbox …« Er schüttelte den Kopf, Traurigkeit im Blick. »Ich wartete eine Stunde, weil ich dachte, dass sie womöglich aufgehalten worden sein könnte, aber sie kam nicht. Dann beschloss ich, nach Offenbach zu fahren und es in ihrem anderen Apartment zu versuchen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, sie dort anzutreffen, praktisch null war.« Er hielt inne und schluckte, bevor er fortfuhr: »Als ich in die Straße einbog, standen Polizeiautos vor dem Haus, und ich wusste, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Es wäre auch nicht Lindas Art gewesen, mich zu versetzen, das hat sie noch nie getan. Außerdem hatten wir am Donnerstag gegen achtzehn Uhr noch telefoniert und das Wochenende besprochen. Sie können sich nicht vorstellen, was in mir vorgegangen ist, als ich die Polizeiautos sah … Ich bin zigmal um den Block gefahren, bis ich schräg gegenüber vom Haus geparkt und gesehen habe, wie ein Sarg in einen Leichenwagen geladen wurde. Da wusste ich, dass meine schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheitet hatten. Ich war wie gelähmt, denn ich dachte auch an Lindas Kinder, wie die es wohl aufnehmen würden …«
»Sie haben sie geliebt?«, fragte Brandt, obgleich er die Antwort bereits kannte.
»Warum soll ich einen Hehl daraus machen? Ja, ich habe sie geliebt. Linda verkörperte das, was ich mir immer als Frau an meiner Seite gewünscht hatte. Sie war intelligent, vielseitig interessiert, elegant, schön, aufregend und unendlich feinfühlig. Sie war eine Frau, wie man sie nur selten findet. Mein größter Wunsch war, mit ihr und ihren Kindern fortzugehen. Wir haben uns ein paarmal darüber unterhalten, aber sie war noch nicht bereit dafür. Dabei war sie mit einem Mann verheiratet, der sie wie Dreck behandelt hat. Wir haben zwar nicht oft über ihn gesprochen, aber wenn, dann wurde sie ziemlich deutlich … Was könnte ich Ihnen sagen, was Sie nicht schon wissen?«,
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