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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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gegenübersaß, sah ihn an, in ihrem Blick war das, was er schon lange sah, aber sie würde nie den ersten Schritt wagen, dazu war sie zu schüchtern und zurückhaltend. Und er würde es vorerst auch nicht tun, obwohl er wusste, wie sehr sie es sich wünschte. Er blickte in die anderen Gesichter – Betroffenheit. »Ich werde natürlich auch noch mit ihnen sprechen. Ich mag die Webers sehr, sie sind eine wunderbare Familie, und ich hoffe inständig, dass sie das Sorgerecht für die Kinder erhalten. Zu gönnen wäre es ihnen und auch den Kindern, dann würden sie nicht vollständig aus dem Familienverbund herausgerissen, auch wenn eine Mutter sicher niemals zu ersetzen ist. Wenn ich mir vorstelle, sie müssten in ein Waisenhaus … Nein, das wünsche ich niemandem.«
    »Sie kommen in kein Waisenhaus«, sagte Max Trautmann, »diesen Gedanken sollten wir gleich verwerfen. Nun, das wollte ich nur mitteilen. Ich möchte auch, dass wir nachher einen Gebetskreis bilden und für die Familie, aber auch für Frau Maurer beten.«
    »Das wollte ich gerade vorschlagen«, sagte Juliane Trautmann, die verstört wirkte.
    »Lasst uns jetzt essen. Guten Appetit.«
    Nach einer Dreiviertelstunde hoben sie die Tafel auf, wie Max Trautmann zu sagen pflegte, deckten den Tisch ab und begaben sich in das große Wohnzimmer. Sie tranken gemeinsam ein Glas Wein und hielten, bevor sie den Abend beschlossen, die obligatorische Bibelstunde ab, in der sie über das Hohelied der Liebe sprachen, das Thema der Predigt am Sonntag. Es stand zwar ein anderes Evangelium auf dem Plan, aber Pfarrer Winkler setzte sich darüber häufig hinweg, er leitete die Gemeinde, wie er es für richtig hielt. Er kannte seine Schäfchen, und die jeden Sonntag gut gefüllte Kirche bestätigte ihn nur darin, dass er auf dem richtigen Weg war. Die Trautmanns bereiteten sich am Samstagabend, wenn andere Menschen vor dem Fernseher saßen oder auf Partys gingen, darauf vor, verließen sonntags bereits um neun Uhr das Haus, weil es noch so viel zu besprechen gab, und kamen meist erst um ein Uhr nach Hause. Manchmal gingen sie nach der Messe in ein Restaurant, manchmal kochte Erika Trautmann das Sonntagsessen am Samstag.
    Für morgen hatte er sie nach dem Gottesdienst zum Essen in ein Restaurant eingeladen. Ein kleines Dankeschön für die Freundschaft, die die Trautmanns ihm entgegenbrachten.
    Er kannte die Trautmanns seit über drei Jahren, als er von Darmstadt nach Offenbach gezogen war. Er hatte sie lange gesucht und schließlich gefunden und sich fast unbemerkt in ihr Leben geschlichen, bis er praktisch ein Teil der Familie wurde. Genau elf Jahre, drei Monate und sieben Tage hatte seine Suche gedauert. Und nun war er fast am Ziel seiner Wünsche angelangt. Es fehlten nur ein paar Kleinigkeiten, bis er dieses Ziel erreicht haben würde.
    Kein Tag war seit der ersten Begegnung mit den Trautmanns vergangen, an dem er nicht an die Vollendung seines Plans dachte, an dem er nicht daran dachte, was ihm angetan worden war und wie er nun die Schuld dafür einfordern würde. Die bisherigen fünf Frauen waren ein Ventil gewesen, ein Druckausgleich, damit er wieder klar denken und handeln konnte. Wobei er immer klar gedacht und gehandelt hatte, sonst hätte er niemals diese Leistung erbringen können. Und es war eine Leistung, ohne Spuren zu hinterlassen fünf Frauen vom Leben zum Tod zu befördern. Es verschaffte ihm ein Gefühl von Genugtuung und Stolz.
    Dabei hatte er bis vor gut drei Jahren nicht einmal daran gedacht, jemanden zu töten (nun, gedacht schon, aber nie ernsthaft, auch wenn Wut und Zorn ihn seit seiner Kindheit ständig begleiteten). War es Zufall oder Fügung, dass er es tat? Hatte jemand seine unsichtbare Hand im Spiel? Oder war es einfach nur seine überragende Intelligenz? Er hatte oft darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass es ein Zusammenspiel von allem war.
    Er hatte auch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als Kind und Jugendlicher keine Tiere gequält, um so seinen unbändigen Zorn gegen die Welt abzubauen. Im Grunde war er stets angepasst und folgsam gewesen, denn er hatte Angst vor dem dunklen, fensterlosen Raum gehabt, in den jene gesperrt wurden, die aufmüpfig und ungehorsam waren, die ihren Teller nicht leer aßen, die bei Tisch redeten, die im Unterricht schwätzten, die ihre Betten nicht den Vorschriften gemäß machten, die Bettnässer waren, die auch nur eine der genau hundert Vorschriften verletzten. Entweder wurde man in den

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