Teufelsleib
näher. »Trotzdem geschmackvoll. Ich sag’s doch immer, auch mit wenig Geld kann man sich gut kleiden. Und bitte, kein Kommentar zu meinem Outfit.«
»Hatte ich nicht vor«, bemerkte er trocken. »Und ich sehe auch keinen Alkohol bis auf eine Flasche Wein. Gut, sie hat geraucht«, sagte er mit Blick auf einen halbvollen Aschenbecher, »aber sonst war sie sauber. Ich sag dir was: Während die ersten drei Opfer von unserm Täter gezielt ausgesucht worden waren, ist sie ihm rein zufällig in die Hände gefallen. Er wollte nur ein bisschen Verwirrung stiften.«
»Sehe ich genauso. Er spielt und denkt, wir würden das nicht merken«, sagte Elvira und deutete auf ein Foto, das Michaela Preusse mit mehreren Personen zeigte. »Ihre Eltern und Geschwister?«
»Ich gehe davon aus. Hast du schon irgendwo die Adresse von denen entdeckt?«
»Bis jetzt nicht. Vielleicht hier«, Elvira holte ein Adressbuch aus der Schreibtischschublade, suchte unter P und fand einen Eintrag. »Eine Telefonnummer.«
»Zeig mal.«
Elvira reichte Brandt das Adressbuch. »Schau mal hier: Im Notfall bitte wenden an und so weiter und so fort. Da steht eine Adresse. Machen wir uns auf den Weg nach Bad Vilbel. Hier gibt’s nichts weiter zu tun. Und die Spusi brauchen wir auch nicht. Er hat sie auf der Straße aufgegabelt und nach Offenbach geschafft. Das war eine Zufallsbegegnung zum Nachteil von Michaela Preusse.«
»Ist das jetzt der Zyniker in dir?«, fragte Elvira.
»Nee, das ist nur der Peter Brandt. Ich frag mich manchmal, ob es im Leben so etwas wie Bestimmung gibt. Werden manche Menschen geboren, um zu leiden und früh zu sterben? Sie war sechsundzwanzig und auf dem besten Weg, ein Studium abzuschließen und einen guten Beruf auszuüben. Aber weil das Geld nicht reichte, ging sie auf den Strich und …«
»Halt mal inne«, sagte Elvira, umarmte Brandt und sah ihm in die Augen. »Ob es eine Bestimmung gibt oder den berühmten Zufall, das kannst weder du noch ich beantworten. Aber vielleicht war es Bestimmung, dass wir diesen Fall lösen. Oder war es Zufall? Bestimmung, Zufall? Zufall, Bestimmung? Was nehmen wir? Dir ist klar, dass diese Ermittlung eine Ausnahme ist und so nie wieder vorkommen wird. Du wirst einen neuen Partner oder eine Partnerin kriegen, und ich werde mich wieder um meine Aufgaben als Staatsanwältin kümmern. Ich bin keine Polizistin.«
»Das brauchst du mir nicht zu sagen, obwohl du mir eine große Hilfe bist.«
»Quatsch, ich wäre zum Beispiel nie auf die Sachen gekommen, auf die Nicole gekommen ist. Die Denke von euch ›Bullen‹ ist anders als die von uns Staatsanwälten. Das ist nun mal eine Tatsache. Wir setzen vor Gericht das fort, was ihr erarbeitet habt. Ihr schnappt Verbrecher, wir sehen zu, dass sie verurteilt werden. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Und jetzt ab, wir wollten doch noch was essen, bevor wir zu den Eltern fahren.«
»Hast du Hunger?«, fragte Brandt.
»Eigentlich nicht. Ich dachte, du hättest …«
»Im Augenblick nicht. Bringen wir das Unangenehme hinter uns.«
»Dein Wille sei mir Befehl. Nur, nachher wird kaum noch ein Restaurant offen haben.«
»Aber es gibt ja auch noch McDonald’s oder Burger King oder …«
»Du Fastfoodjunkie. Warum müsst ihr Bullen euch immer so ungesund ernähren? Pizza, Currywurst, Pommes, Hamburger …«
»Weil wir nie genügend Zeit haben, weil wir doppelt oder dreifach so viel arbeiten wie etwa Staatsanwälte oder Staatsanwältinnen …«
»Oh, mir kommen die Tränen. Und das auch noch für weniger Gehalt. Du Ärmster, du hast mein tiefstes Mitgefühl.«
»Mach dich ruhig lustig über mich, du wirst schon noch sehen, was du davon hast.«
»Du machst mich neugierig, Herr Kommissar. Was hab ich denn davon?«, fragte sie mit neckischem Blick.
»Das wirst du heute Abend erfahren, vorausgesetzt, ich muss nicht schon wieder Überstunden schieben.«
»Heute nicht. Er hat bis jetzt noch nie am Sonntag gemordet.«
»Oh, wie scharfsinnig. Aber was, wenn er seine Meinung ändert? Wenn ihm der Sonntag egal ist?«
»Dann haben wir gelitten, denn ich lasse dich doch nicht allein ermitteln. Das Ding bringen wir beide gemeinsam zu Ende. Versprochen.«
»Gut.«
Sie fuhren nach Bad Vilbel und hielten vor einem schmucken Einfamilienhaus. Brandt klingelte, und ein kleiner, untersetzter Mann mit Halbglatze kam an die Tür. Brandt zeigte seinen Ausweis und bat darum, mit Elvira Klein hereinkommen zu dürfen.
Außer dem Vater von Michaela
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