Teufelsleib
geschleift …«
»Er lebte in einem Wohnwagen«, wurde sie von Brandt berichtigt, der zum ersten Mal, seit er bei Nicole gewesen war, lächelte.
»Okay, er lebte in einem Wohnwagen. Aber lenk nicht ab, darum geht es jetzt nicht. Du hast mich dorthin mitgenommen, damit ich sehe, unter welch erbärmlichen Bedingungen andere leben, auch wenn sie mal ganz oben und auf der Sonnenseite des Lebens standen. Du hast mir die Augen geöffnet und gezeigt, wie unwichtig vieles wird, wenn wir sehen, wie schlecht es andern geht …« Sie holte tief Luft und fuhr fort: »Ich werde diesen Besuch nie vergessen, denn damit hast du mir gezeigt, wie sensibel und einfühlsam du bist. Du warst und bist nie nur der Bulle gewesen, der Dienst nach Vorschrift schiebt, du hast dich auch kaum um irgendwelche Konventionen geschert, aber du warst da, als ich dich am meisten brauchte. Ich habe dir das noch nie gesagt, aber wenn du damals nicht gekommen wärst, ich weiß nicht, ob ich die Nacht überstanden hätte, weil mein ganzes Leben mir von jetzt auf gleich sinnlos geworden schien. Ich hab dich angerufen, und ein paar Minuten später warst du da, obwohl du wahrlich keinen Grund hattest, mitten in der Nacht …«
»Es war nicht mitten in der Nacht …«
»Ist doch egal, dann halt am späten Abend. Was ich sagen will: Weil du so bist, wie du bist, weil du anders bist als andere, habe ich mich in dich verliebt. Und das schon viel, viel früher als an jenem ganz besonderen Abend.«
»Entschuldigung, ich wollte nicht …«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich wollte dir nur mal vor Augen halten, wie wertvoll
du
bist, und etwas anderes zählt für mich nicht. Ich finde es großartig, dass dir die Schicksale anderer nahegehen, aber lass sie nicht in dich hinein. Ich möchte mit dir mein Leben verbringen und mit niemand anderem. Und deshalb ist mir vollkommen egal, was andere denken, mich lässt es kalt, ob andere Männer mir hinterhersehen oder -pfeifen, weil nur du für mich zählst. Und ich hoffe, dass wir noch lange, lange, lange zusammen sind. Und jetzt lass uns das Thema beenden, sonst werde ich nur traurig. Willst du das?« Sie sah ihn mit einem Blick voller Liebe an.
»Nein, wie kann ich das denn wollen. Es geht schon vorbei. Was essen wir denn heute Abend?«
»Na also, geht doch. Peter, ich bin auch manchmal fast am Verzweifeln, wie bei dem Kroaten Vladic. Wenn ich solche Geschichten höre, könnte ich Gott und die Welt verfluchen. Ich habe mich tatsächlich bei dem Gedanken ertappt, der Mann habe nur das getan, was getan werden musste. Aber so etwas darf ich mir natürlich nicht anmerken lassen, geschweige denn aussprechen, ich stehe schließlich auf der Seite des Gesetzes und bin gezwungen, nach den Buchstaben und nicht nach dem Herzen zu urteilen. Das heißt, ich muss demnächst eine Anklageschrift vorbereiten gegen einen Mann, der nur den umgebracht hat, der … Ich werde nicht auf Mord plädieren, höchstens auf Totschlag im Affekt. Dieser Mann ist noch immer so traumatisiert, er war vorgestern Abend so geschockt, dass die Bilder der Vergangenheit noch einmal wie ein Film an ihm vorübergezogen sind. Und wenn diese Bilder nur annähernd mit der Wirklichkeit übereinstimmen, hat er meines Erachtens richtig gehandelt, was ich als korrekte deutsche Staatsanwältin natürlich niemals öffentlich sagen darf, in unserm Strafgesetzbuch gibt es schließlich keinen Paragraphen, der Selbstjustiz gutheißt. Aber für meine Begriffe war das, was er getan hat, keine Selbstjustiz, auch wenn du vielleicht anderer Meinung bist …«
»Bin ich nicht, und das weißt du. Aber der Serbe hatte eine Familie und lebte, wie seine Frau sagt, glücklich und zufrieden in Offenbach. Auch das dürfen wir nicht außer Acht lassen.«
»Ich vergesse das nicht. Nur, Vladic hat nicht aus niederen Beweggründen gehandelt, er wollte sein Opfer nicht bestehlen oder … Egal, es ist eine tragische Geschichte, die noch längst kein Ende hat. Ich bin mir durchaus bewusst, dass Frau Jovanovic jetzt durch ein tiefes Tal geht, weil sie drei Kinder alleine durchbringen muss, aber wenn sie erfährt, welche Grausamkeiten ihr Mann an unschuldigen Menschen begangen hat, wird sie vielleicht leichter mit der Situation fertig werden. Sie braucht in jedem Fall psychologische Unterstützung. Sie wird sich ja auch mit der Vergangenheit ihres Mannes auseinandersetzen müssen, und das stelle ich mir schlimmer vor als den Tod. Zu wissen, dass der Mann, den man
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