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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Pater an. «Eines Tages möchte ich selbst lesen können, was dort geschrieben steht. Aber in der Hauptsache möchte ich etwas über die Menschen erfahren, die in den Häusern wohnen. Meint Ihr nicht auch, dass die Hausinschriften Auskunft darüber geben?»
    «Die Häuser sind nicht immer von den jetzigen Bewohnern erbaut. Manche haben sicher schon hundert Jahre auf dem Buckel.»
    «Trotzdem. Ich glaube, die Inschriften sind bedeutsam für die Menschen. Ihr Sinn ist in die Wände gedrungen und hat Einfluss auf das Leben darinnen.»
    «Das glaubst du wirklich?»
    Karla nickte ernst. «Wieso nicht? Ein jeder wird in der Kirche ruhig und ernst. Niemand brüllt oder lacht schallend. Das machen die ehrwürdigen Gemäuer. Warum sollte es bei Häusern anders sein? Also. Was steht da über der Schenke? Der Spruch ist der längste, den ich je gesehen habe.»
    «Lass mich beizeiten mein Haus bestellen, dass ich bereit sei für und für und sage frisch in allen Fällen, Herr, wie du willst, so schick’s mit mir.»
    Karla zog ein nachdenkliches Gesicht. «Ein seltsamer Spruch für ein Gasthaus. Bei uns im Weiler stand über der Schenkentür: ‹Ein froher Gast ist niemands Last›. Aber hier, hier ist von Gott die Rede.»
    «Hm», brummte Pater Fürchtegott, weil er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte.
    Sein Blick fiel auf eine alte Linde, die gegenüber der Schenke, mitten im Dorf stand. Darunter waren drei Bänke gruppiert, die der Sturm umgestoßen und mit Lindenzweigen bedeckt hatte.
    «Was ist das?», fragte Pater Fürchtegott. «Warum stellt jemand Bänke unter einen Baum?»
    Karla lachte. «Das wird die Lügenlinde sein.»
    «Die Lügenlinde?»
    «Ja. Dort sitzen die Alten und reden über vergangene Zeiten. Jede kleine Tat wird in der Rückschau zu einem Heldenstück aufgebauscht. Und aus jedem Wort hinter vorgehaltener Hand wird ein Psalm. Deshalb Lügenlinde. Oder, wie es in meinem Weiler hieß, Lügenbank. Seht Ihr, Pater? Daneben steht gleich der Brunnen, und das Backhaus ist auch nicht weit. Das hier ist der Mittelpunkt des Dorfes.»
    «Ah!» Pater Fürchtegott hob den Zeigefinger. «Die Lügenlinde ist also der Treffpunkt des Dorfes. Dort, wo Klatsch und Tratsch blühen.»
    Der Pater und Karla kamen am Backhaus vorüber. Davor stand ein altes Weiblein mit einer schwarzen Haube auf dem Kopf und einem gestickten Tuch über der Schulter. «Oh, Gott, oh Gott», jammerte sie. «Das Backhaus ist entzwei. Was soll nur werden? Woher kriegen wir jetzt unser Brot?» Dann drohte sie mit ihrer dürren Faust hinüber zur Michelsmühle. «Das ist alles eure Schuld, ihr Halunken!»
    «Warte einen Augenblick!» Pater Fürchtegott hielt Karla am Arm an.
    «Was ist los?», fragte er das alte Weiblein, dem vor Ärger kleine Bläschen auf den Lippen standen.
    «Der Sturm, Hochwürden. Meint Ihr, er ist von selbst gekommen? Die da haben ihn geschickt. Genau wie den Hagel im letzten Jahr und die Schafsseuche im Jahr davor. Und jetzt haben sie das Backhaus zerstört, damit wir hungern müssen.»
    «Könnt Ihr nicht über der eigenen Feuerstelle Euer Brot backen?», fragte Pater Fürchtegott sanft, doch das Weiblein spuckte ihm vor die Füße. «Kein Brot schmeckt so gut wie das aus unserem Backhaus.»
    «Aber es war doch der Sturm, der die Zerstörung angerichtet hat.»
    «Und wer hat den Sturm geschickt, Hochwürden? Die Michelsmüller natürlich. Aus Rache.»
    «Rache? Wofür?»
    «Dafür, dass wir nicht länger dulden, dass die Michelsmüllerin ihr Brot bei uns im Dorf backt.»
    «Und warum darf die Michelsmüllerin nicht mehr hier backen?»
    Das Weib zog den Rotz hoch und spuckte aus. «Sie hat ein uneheliches Balg, die junge Michelsmüllerin. Kein Mensch weiß, wer der Vater ist. Vom Brocken wird sie’s mitgebracht haben. Zur Walpurgisnacht wird sie es mit dem Satan gezeugt haben. Und jetzt soll unser Brot neben ihrem liegen? Niemals! Alle im Dorf waren sich einig. Und der Glenbauer hat’s nach drüben bestellen lassen, dass sie sich nicht mehr am Backhaus blicken lassen soll. Keine zwei Monde ist das her, und schon liegt das Backhaus in Scherben.»
    Das alte Weib drohte mit ihrer dürren Faust rüber zur Mühle.
    In Pater Fürchtegotts Augen funkelte der Schalk. «Es ist also das schlechte Gewissen, das Euch so fluchen lässt. Denn es ist wenig christlich, jemandem das Backen in einem öffentlichen Backhaus zu verwehren.»
    «Geht fort!» Das alte Weib winkte empört mit der Hand ab und zeterte weiter: «Ich weiß, was

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