Teufelsmond
und stellte das Salzfässchen auf den Tisch.
«Nimm nicht so viel», herrschte die Else sie an, packte Karlas Hand, die den Löffel hielt, und schüttete die Hälfte des Salzes auf ihren Teller. Danach lamentierte die Else noch ein Weilchen über ihre Gebrechen, die sie von der vielen Arbeit hatte. Karla und Pater Fürchtegott wechselten einen Blick, und als Else sich endlich in ihre Kammer zur Nachtruhe begab, teilte Karla dem Pater mit: «Mit den Dorfbewohnern hier stimmt etwas nicht.» Und Fürchtegott erwiderte: «Du hast recht. Die Alweröder meiden die Kirche, aber sie sind zur Stelle, wenn es gilt, das Böse zu bekämpfen. Und dies ist immer ein schlechtes Zeichen.»
Am nächsten Morgen erwachte Karla beim ersten Hahnenschrei. Obwohl es ihr schwerfiel, aus dem warmen Bett zu steigen, war sie noch vor Else auf den Beinen. Sie schnappte sich die beiden Wassereimer, riss die Tür auf – und prallte zurück. Das Dorf war wie unter einem riesigen weißen Federbett begraben. Knietief lag der Schnee, verdeckte die Verheerungen des Sturmes, dämpfte die Geräusche, zog den nackten Bäumen ein Festkleid an und machte das graue Tal so hell, dass Karla die Augen kurz schließen musste. Aber sogleich riss sie sie wieder auf und bestaunte die weiße Pracht, während sie auf der obersten Stufe vor der Pfarrhaustür stand.
Karla liebte den Winter, liebte vor allem den ersten Morgen nach dem nächtlichen Schneefall. Keine Beichte, keine Räucherung, nicht einmal eine heilige Messe hatten ihr je das Gefühl geben können, welches der Schnee ihr bescherte: Reinheit. Unschuld. Stille. Sie atmete tief ein, schmeckte den Rauch der Holzkohlenfeuer auf der Zunge und lächelte. Dann bückte sie sich, griff sich eine Handvoll Schnee und leckte daran. Fröhlich nahm sie die beiden Eimer und ging hinunter zum Schorbach. An der Wasserstelle begegnete sie drei Mägden, die sie noch nicht im Dorf gesehen hatte. Als Karla sich zu ihnen stellte, verstummte deren Gespräch.
«Gott zum Gruße. Ich heiße Karla und bin die Wandergefährtin des Exorzisten.»
Die kleinste, schmalste, reichte Karla die Hand. «Ich bin die Lori, arbeite auf dem Hof der Nachbarn.»
«Dann ist die dürre Bernadette deine Herrin.»
Lori verdrehte die Augen. «Dem Herrn sei’s geklagt. Ja, das ist sie.»
«Nicht leicht mit ihr, oder?»
Lori zuckte die Achseln. «Hätt’ schlimmer kommen können. Sie schlägt mich nicht und gibt mir gutes Essen. Sieh her, das Schaffell hat sie mir erst heute Morgen geschenkt.»
«Jetzt sage auch dazu, was sie dafür von dir verlangt hat», mischte sich ein anderes, sehr großes Mädchen mit wirrem Haar ein. Auch sie reichte Karla die Hand. «Trudl bin ich, die Magd vom Glenbauern. Also, Lori, jetzt sage, was du für das Fell tun musst.»
Lori wand sich und duckte sich in ihren neuen Pelz. «Ach, nichts weiter. Nichts, was ich vorher auch nicht tun musste.»
«Jetzt ziere dich nicht. Was ist es?», wollte Karla wissen.
«Ich darf nicht mit dir reden. Außer ‹Gelobt sei Jesus Christus› darf ich nichts sagen und nichts fragen.»
Karla schüttelte verwundert den Kopf. «Warum das denn nicht? Ich habe doch keiner Menschenseele ein Leid zugefügt.» Zumindest nicht in diesem Dorf, fügte sie in Gedanken hinzu.
Die Lori zuckte mit den Achseln. «Weiß ich’s? Glaubst du, sie sagt mir einen Grund? Nein! Das Maul soll ich halten, hat sie gesagt. Und Augen und Ohren zusperren.» Bange sah sich Lori nach dem Haus ihrer Herrschaft um. «Und jetzt muss ich gehen. Wenn sie mich mit dir hier sieht, dann holt sie am Ende doch noch den Knüppel.» Lori füllte ihre Eimer.
«Warte. Nur einen Augenblick noch. Ist die dürre Bernadette nicht mit der Else befreundet?»
«Pfff! Befreundet! Dass ich nicht lache. Früher einmal waren sie das sicher – als sie noch Mädchen waren und gemeinsam zum Maitanz gegangen sind. Aber dann hat Bernadette Elses Vetter geheiratet, und seither tun sie zwar höflich, aber eine erzählt hinter dem Rücken der anderen Bosheiten. Sie benehmen sich schlimmer als die Mägde hier im Dorf. Kann sein, dass ich deswegen nicht mir dir reden darf.» Lori schnappte sich die beiden Eimer und stapfte davon.
Karla sah ihr nach. «Das verstehe ich nicht. Warum darf sie nicht mit mir reden? Die dürre Bernadette war gestern Abend sogar in der heiligen Messe. Ich tauge bestimmt nicht zu Elses Freundin.»
«Ihr Alter, der Hettrich, wird sie wohl geschickt haben», erklärte Trudl.
«Und warum ist er nicht
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