Teufelsmond
Weihrauch zu bekommen. Ich habe nicht viel, was ich Euch dafür geben kann. Nur eben die getrockneten Samen und Früchte des Pfaffenhütchens. Sie sind gut gegen Krätzemilben und Läuse. Auch Nierenleiden kann man damit lindern. Aber geht achtsam damit um. Schon dreißig Früchte können einen Menschen vom Leben zum Tode bringen. Nehmt es ruhig. Ich will Euch nichts schuldig bleiben.»
Mit gerunzelter Stirn nahm Karla das Säckchen entgegen. «Das ist nett von Euch, aber ich glaube nicht, dass ich das Pfaffenhütchen brauchen kann.»
Sofie trat ganz dicht an Karla heran und flüsterte: «Ihr seid noch nicht lange hier, aber glaubt mir, Gift ist im Dorf so nötig wie Wasser und Brot.»
«Was wollt Ihr damit sagen?»
Sofie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als jemand ihren Namen rief. «Das ist meine Mutter. Ich muss ihr bei der Krankenpflege zur Hand gehen. Es hat mich gefreut, dass Ihr gekommen seid. Jetzt bringe ich Euch zur Tür.»
«Danke», sagte Karla und verbarg das Leinensäckchen in der Tasche ihres Umhangs. Als sie hinter Sofie die Treppe hinabstieg, fragte sie: «Wo ist Rosemaries Vater? Lebt er auch in der Mühle?»
Sofie hielt inne, strich dem Säugling über den Kopf. «Sie braucht keinen Vater», erklärte sie. «Alles, was nötig ist, erhält sie von mir.»
Sofie blieb noch einen Augenblick in der offenen Haustür stehen und winkte Karla nach, die nachdenklich den Heimweg antrat. Einmal noch wandte sie sich um und sah den schwarzen Jo in der offenen Scheunentür stehen. Er hielt noch immer den Hammer. Aber mit der anderen Hand winkte er ihr zu. Und Karla winkte zurück.
Wieder im Pfarrhaus fand sie die Else damit beschäftigt, ein Wollknäuel, mit dem die Katze gespielt hatte, neu aufzuwickeln. Das Feuer im Herd war fast erloschen, der Zuber mit der eingeweichten Wäsche stand am selben Platz wie am Morgen, und der Küchenboden war mit Dreck übersät. Allein Else saß bequem auf der Küchenbank, ein Kissen im Rücken, die Füße auf einem Schemel, und ordnete die Wolle.
«Wo warst du?», fragte sie Karla mit Nörgelstimme. «Mir wächst die ganze Arbeit über den Kopf. Allein der Schmutz, den der Pater und du ins Haus tragt! Und das bei meinem Rücken!»
Karla seufzte, entfachte das Herdfeuer neu, füllte dann einen Zuber mit heißem Wasser und begann, die eingeweichte Wäsche zu schrubben. Jedoch war von Pater Fürchtegott und von ihr kein einziges Kleidungsstück dabei; deren Wäsche hatte Karla gestern erledigt. Heute aber wusch sie die Unterkleider, die Strümpfe und ein Nachthemd von Else. «Hat der kranke Pfarrer Dippel keine Schmutzwäsche?», fragte sie.
«Der ist doch krank im Bett. Wozu braucht er da frische Wäsche? Es sieht ihn ja keiner.» Else rollte unbekümmert weiter die Wolle auf.
Also ging Karla ins Krankenzimmer, half dem Dippel beim Wechseln seines Nachtgewandes und schrubbte auch dessen Schmutzwäsche und hängte sie in den kleinen Pfarrgarten auf eine Wäscheleine. Der Abend hatte sich über das Dorf gelegt, als Karla endlich die ganze Hausarbeit erledigt hatte. Sie brannte darauf, mit Pater Fürchtegott zu sprechen, doch seit dem Mittagessen hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Auch Else wusste nicht, wo der Mann war.
Karla stellte sich ans Fenster der winzigen Kammer, die Else ihr zugewiesen hatte, und sah auf das Dorf. Gerade mal ein paar Dutzend Häuser und Katen gab es hier. Von der Else hatte Karla erfahren, dass Alwerode rund zweihundert Seelen zählte und einen Bäcker, einen Schuhmacher und einen Schlachter hatte. Die meisten von ihnen lebten seit Generationen in diesem Dorf. Jeder kannte jeden, nichts, was in einem der Häuser geschah, blieb den anderen verborgen.
Gegenüber, im Haus des Glenbauern, beugte sich die Bäuerin im Nachthemd aus dem Fenster und schloss die Holzläden. Kurz schimmerte noch Licht durch die Ritzen, dann erlosch es. Sodann erschien am Nebenfenster der Glenbauer mit einer Nachtmütze auf dem Kopf, schloss ebenfalls die Läden. Merkwürdig war das, fand Karla. Sie hatte immer gedacht, dass Eheleute sich eine Kammer teilten. Ja, sie hatte sogar gedacht, dass darin der eigentliche Sinn einer Ehe liege. Aber hier in Alwerode im Knüllwald war vieles anders, als sie es aus ihrem Weiler kannte.
Karla verhängte ihr Fenster mit Ölpapier und einer Decke und seufzte. Das Verlies, welches Else ihr zugeteilt hatte, war eine Rumpelkammer. Der Staub stand fingerbreit auf dem Boden, aber Karla war bisher noch nicht dazu gekommen, sich
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