Teufelsmond
Worte», erklärte sie, dann schweifte ihr Blick in die Ferne. Die Wangen überzogen sich mit einer zarten Röte, ihre Augen bekamen einen Glanz, und alles Grämliche war aus dem Gesicht verschwunden.
Ich wüsste zum Henker gern, an wen sie jetzt denkt, dachte Karla und schob den fertigen Brotteig in die heiße Herdasche.
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Elftes Kapitel
Nach dem Mittagsmahl, Else hatte sich hingelegt, Pater Fürchtegott las in der Bibel und der kranke Dippel schlief, machte sich Karla allein auf den Weg zur Michelsmühle. Sie wollte Sofie ein wenig Weihrauch bringen. Pater Fürchtegott war eigentlich denkbar schlecht ausgestattet, doch die Dose mit dem vom Erzbischof gesegneten Weihrauch war noch randvoll. Karla füllte davon ein wenig in ein tönernes Gefäß, verschloss es mit Ölpapier und ging los.
Die Sonne strahlte vom Himmel, als wollte sie die Erdbewohner für den Sturm entschädigen. Überall taute der Schnee. Von den Dächern und Bäumen tropfte es, die Büsche schüttelten ihre nasse Last von den Zweigen. Karla hatte sich heimlich die Stiefel vom Dippel-Pfarrer ausgeborgt. Der lag sowieso im Bett und brauchte sie nicht. Jetzt schlappte sie damit die Dorfstraße entlang und versuchte, die Inschriften an den Häusern zu lesen. Über der Tür des Pfarrhauses stand natürlich «Ora et labora». Obwohl Karla noch nicht richtig lesen konnte, erkannte sie doch die Worte wieder, weil an der Kirche ihres Heimatweilers dieselben standen. Ihre Füße rutschten in den riesigen Schuhen wie Nachen auf einem Fluss, und die rückwärtigen Stiefelkanten schlugen ihr bei jedem Schritt schmerzhaft in die Kniekehlen. Die Katen des Dorfes lagen ruhig. Im Stall des Glenbauern grunzten die Schweine, am Dach der Nachbarn stand der Mann der dürren Bernadette und nagelte Dachlatten an. Der Junge sammelte die restlichen Holzlatten ein, und aus der Werkstatt des Gerbers und Schuhmachers Henn Wegener erklangen Flüche, von Hammerschlägen unterbrochen. Der Geruch, der aus der Gerberei kam, verschlug Karla beinahe den Atem. Sie wusste zwar, dass die meisten Gerber ihre Häute in einer Lohe aus Tierdreck weichen ließen, doch der Gestank brachte ihren Magen in Aufruhr.
Obwohl weit und breit kein Mensch zu sehen war, fühlte sich Karla beobachtet und verfolgt. Jedes Fenster schien ihr ein offenes Auge, jede Tür ein Mund, der gleich zuklappen konnte. Einmal blieb sie stehen, blickte zu einem Küchenfenster hinüber. Da stand niemand, und doch wurde Karla den Eindruck nicht los, dass jeder Schritt, den sie im Dorfe tat, von vielen Augen beobachtet wurde. Unsicher ging sie weiter, ließ die Blicke schweifen, doch da war nichts und niemand.
Am Backhaus waren zwei Mägde damit beschäftigt, die losen Ziegel abzuklopfen und aufzuschichten. Karla grüßte freundlich, dann überquerte sie die große Handelsstraße und begab sich auf den schmalen Pfad, der durch den Wald zur Michelsmühle führte.
Hier war der Weg bereits so aufgeweicht, dass Karla bei jedem Schritt nur mit Mühe die Stiefel aus dem Dreck ziehen konnte. Nach einer Viertelstunde war sie so erschöpft, als hätte sie einen Tagesmarsch hinter sich. Die Mühle war jetzt schon in Sichtweite. Die Tür zu einem Nebengebäude stand offen, und von dort drangen Hammerschläge durch die Stille. Neugierig ging Karla näher, ging durch die offene Tür und erschrak, als der schwarze Jo seinen Kopf hob und ihr geradewegs ins Gesicht starrte. Groß und dunkel stand er da, die schwarzen Augen zusammengekniffen, der Mund schmal vor Schmerz und Wut. In der Hand hielt er einen mächtigen Hammer.
«Was … was tut Ihr da?», fragte Karla und wünschte, sie wäre gleich zum Wohnhaus gegangen.
Der schwarze Jo deutete mit dem Hammer auf eine einfache Holzkiste, die zu seinen Füßen lag. «Ich zimmere den Sarg für meinen Vater.»
«Oh. Wann ist er gestorben?»
«In der Nacht.»
Karla breitete die Arme aus. «Es tut mir leid.»
«Euch?» Der schwarze Jo lachte bitter auf. «Was tut Euch leid? Was habt Ihr verloren?»
Karla schluckte. «Es tut mir leid, Eure Familie in Trauer zu sehen. Der Tod schmerzt. Das weiß ich.»
«Danke», brummte der schwarze Jo und schwang seinen Hammer. «Ich muss weitermachen. Aber trotzdem danke.»
Karla nickte und begab sich zum Wohnhaus. Sofie öffnete ihr, noch bevor sie den Türklopfer betätigen konnte. «Ich dachte nicht, dass Ihr noch einmal wiederkommt», sagte die Sofie statt einer Begrüßung, doch das Strahlen auf ihrem Gesicht zeigte
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